Isenhart
all derer, die ihm die lukrativen Fährübersetzungen neideten. Der Rat untersagte ihm dieses Geschäft und kaufte ihm unter dem Vorwand der Mildtätigkeit und Nächstenliebe die Fähren zu einem Spottpreis ab. Rubinstein traf buchstäblich der Schlag. Halbseitig gelähmt und kaum noch des Sprechens fähig verbrachte er seine letzten Tage in den eigenen vier Wänden. Bis auf Walther und seine Mutter Ruth wollte er niemanden mehr sehen.
Den so entstandenen monetären Engpässen begegnete Rubinstein mit der Veräußerung von Heiligster samt umliegendem Ackerland an die von Vogts – natürlich mit Walthers Hilfe, der nach außen als Besitzer auftrat. Das allerdings unter der Maßgabe, dass Konrad von Laurin und all jene, die dort mit ihm lebten, für den Rest ihres Daseins dort bleiben durften.
Reimar von Vogt erbat sich Bedenkzeit und suchte Heiligster auf.
Dessen Bewohner säuberten gerade den Kanal vom Schlamm, als er auf dem Hof auftauchte, fast fünf Fuß groß, auf einem Maulesel – eben niederer Adel –, und Sophia erblickte. Eigentlich hatte er Heiligster in Augenschein nehmen wollen, aber er fand sich außerstande, seine Augen von der Fürstentochter zu lösen. Noch am Abend desselben Tages machte er das Geschäft mit Simon Rubinstein vollkommen und sich damit zum neuen Herrn über Heiligster.
Das wiederum befand sich so abgelegen, dass sich kaum jemand dorthin verirrte. Die neunzehn Anträge, die Sophia bisher zurückgewiesen hatte, ließen erahnen, um wie viel mehr sie in einer Stadt wie Spira von Offerten bedrängt worden wäre. Bauernlümmel, Schäfer, Fischer, Binnenschiffer und auch ein Kaufmann waren darunter gewesen. Allesamt hatten sie Heiligster mit gesenktem Haupt wieder verlassen. Und jedes Mal, wenn Sophia dem Eheleben erneut eine Abfuhr erteilte, empfand Isenhart eine Erleichterung, deren Ursprung zu erkunden sein Bauch ihm abriet.
Bei Reimar von Vogt verhielten die Dinge sich anders. Er war Herr über Heiligster, und obwohl Simon Rubinstein dafür Sorge getragen hatte, dass Konrad und die anderen in keinerlei Pflichtverhältnis zum Grundbesitzer standen, so existierte doch unbestreitbar eine Bande der Abhängigkeit zwischen ihnen: Es war sein Land, und sie lebten darauf.
Das hätte Sophia in ihren Überlegungen, ob sie die Kinder dieses Mannes gebären und an seiner Seite alt werden wollte, nicht weiter beeinträchtigt, wenn sie nicht Zeugin des Versprechens geworden wäre, das Reimar von Vogt ihrem Bruder gegeben hatte: »Mein Vater Jurgan ist bekannt mit Walther von Ascisberg, und wir kennen die Gerüchte, die über den Herrn von Laurin im Umlauf sind. Vonseinem heldenhaften Mut und seinem Sohn, der all diesem Unglück entgangen ist. Und von dem man annimmt, er halte sich in Frankreich auf. Ich gebe Euch mein Wort, dass das Wissen über Euren wahren Verbleib bei meinem Vater und mir gut aufgehoben ist. Ihr sprecht mit einem Mann, der Euch wohlgesinnt ist.«
Konrad hatte dem jungen von Vogt in die Augen gesehen und sogar ein wenig gelächelt. »Wilbrand von Mulenbrunnen und ich werden uns begegnen. Ob durch Zufall oder nun durch Euch – das macht keinen Unterschied. So oder so, er findet mich bereit.«
Konrads Freude über einen Kampf mit dem Abt war dabei unübersehbar gewesen. Doch während ihm dabei ein Zweikampf vorschwebte, in dem sich all sein sorgsam verborgener Zorn Bahn brechen und ihn den Mann, der seinen Vater ermordet hatte, in Stücke reißen lassen würde, ahnte Sophia, dass Wilbrand sich niemals stellen, sondern seine Schergen schicken würde.
Wie auch immer: Sein Leben lag nun in der Hand Reimars von Vogt. Willigte sie in die Ehe mit ihm ein, würde Konrads Aufenthaltsort ein gut gehütetes Geheimnis bleiben. Tat sie es nicht, waren die Folgen unabsehbar, und all ihre Sicherheit beruhte auf dem Wort eines Mannes, den sie mit ihrer Zurückweisung gekränkt hatte.
Isenhart wusste um die Umstände, als Sophia, die so nahe neben ihm lag, dass ihr Atem seine Wimpern zum Vibrieren brachte, ihn von dem Antrag wissen ließ.
Anders als die ihrer Schwester Anna roch Sophias Haut nach Lavendel und Erde, und zumindest Ersteres entsprang keinesfalls seiner Einbildung, denn die Mücken machten einen großen Bogen um sie. Einmal, während sie dicht um den Ofen geschart geschlafen hatten, war er mit seinen Nasenflügeln an ihrer nackten Schulter erwacht und hatte das Aroma ihrer Haut geatmet. Er träumte, ähnlich wie Giselbert vor ihm, von einer gemeinsamen Zukunft weit weg
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