Isenhart
Holzpfeiler abstützten.
Am Brunnen herrschte naturgemäß reges Treiben, und so dauerte es nicht lange, bis eine junge Frau – Konrad hatte sie angestarrt; ihre Schönheit gebot es, wie er später sagte – ihnen den Weg wies. Sie deutete mit dem Kopf zu einem Mann, der aufgeregt um vier Fässer herumrannte. »Der Quirlige da«, sagte sie, »das ist Signor Ray.«
Als sie Wasser aus dem Brunnen gezogen hatte, warf sie zu Konrads Verblüffung Isenhart ein zärtliches Lächeln zu, und als der es erwiderte, wandte sie sich mit kokettem Blick ab.
Konrad von Laurin sah seinen Freund erstaunt an. Isenhart war ein dünner Kerl, kleiner als er, sein Kreuz war schmal, sein Mund klein, aber mit sinnlichen Lippen, sein Blick dunkel und ernst. Manchmal gar bohrend. Und so verschieden sie sonst auch sein mochten, wenn Isenhart sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann hatte er es sich aber wirklich in den Kopf gesetzt, das hatten sie gemein, wie Konrad in seltener Selbstreflexion erkannte. Er verdächtigte Isenhart auch der noch größeren Sturheit. War sogar gut möglich, dass er eines – hoffentlich fernen – Tages daran sterben würde, an seiner Unbeirrtheit, überlegte er.
Allerdings fragte Konrad sich, was die Weibsbilder an ihm fanden. Er hatte es sich bereits bei Anna gefragt, bei Sophia auch, aber der sah er es nach, weil sie, bei aller brüderlichen Liebe, bisweilen einen gehörigen Sprung in der Schüssel hatte. Und nun geschah es wieder. Und da die junge Italienerin keine Haube über dem Haar trug, war sie vermutlich noch ohne Ehemann, wie jedermann sehen konnte. Ein loses Frauenzimmer.
Isenhart war nicht kräftig, er war auch nicht gekleidet wie ein reicher Mann, denn er war keiner. Vermutlich, nahm Konrad von Laurin an, lag es letztlich doch an der Eitelkeit des schwachen Geschlechts. Denn sobald Isenhart in seine Gedanken abtauchte, ganz so, als träfen zwei Wellen aus Luft über ihm zusammen und schirmten ihn gegen jede weitere Störung ab, erhielt sein Blick etwas Leeres und Durchdringendes. Leer, weil sein Blick ohne jeden Ausdruck war, und durchdringend, da seine Augen auf einen Punkt gerichtet waren, so weit entfernt, dass einen alleine schon die Distanz frösteln ließ.
»Vielleicht blickt er ins Jenseits«, hatte Marie eines Abends gesagt, sie hatten auf ihrem Lager in Heiligster gelegen. Und Konrad musste unwillkürlich schlucken, denn Marie kannte Isenharts Geschichte nicht, wusste nicht wie er und Sophia, was es mit dem kleinen Jungen von damals auf sich hatte – er hatte das Jenseits betreten und war zurückgekehrt.
Jedenfalls waren Anna, Sophia und auch diese Italienerin von einer Schönheit, die jeden Mann veranlasste, ja, zwang, ihnen einen Blick nachzuwerfen. Und verrenkten sich hundert Mannsbilder die Hälse nach ihr und starrte nur einer von ihnen an jenen anderen Punkt – Isenhart nämlich, der darüber sinnierte, was für ein unvorstellbarer Vorrat an Wasser für all die Flüsse der Erde existieren musste, da sie nie versiegten, oder sich etwa fragte, mit was für einem Wesen sie es zu tun hatten, das in der Lage war, Tag und Nacht Millionen von Gebeten zu lauschen und sie in seinem Weltenplan zu berücksichtigen, was in der logischen Konsequenz mündete, dass es sich bei Gott um einen Schöpfer handelte, der nie schlief und daher auch nie träumte –, dann waren die hundert Verehrer dem Weib gleichgültig, es war neugierig auf den einen, der ihm nicht hinterherschaute.
Sie hätte jeden der anderen hundert haben können, sagte Konrad sich in Gedanken, doch zweifellos galt ihr Augenmerk ausschließlich jenem, der sie nicht beachtet hatte – wie konnte das sein? Dieser Umstand, die Gefallsucht der Frauen, war Konrad von Laurin sich sicher, spielte einem wie Isenhart in die Hände.
Marco Ray verpasste gerade seiner etwa neunjährigen Tochter einen Schlag mit der flachen Hand auf den Hinterkopf und dann dem ein Jahr älteren Sohn ebenfalls. Beide Schläge waren ohne Wucht, sie kamen mit tadelnder Beiläufigkeit. »Schnell, schnell, schnell, schnell«, rief er und warf beide Arme in die Luft, »wo habt ihr euch rumgetrieben?«
Es war weniger eine Frage als vielmehr eine Floskel, die seiner Empörung eine Form verleihen sollte, denn Marco Ray wartete eine Antwort überhaupt nicht ab. Wieselflink erklomm er eine Holzleiter, die auf eine offene Ebene führte, auf der sich ein großer Kessel befand, aus dessen Innerem Dämpfe aufstiegen. Unter dem Kessel, dessen Metall
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