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Isenhart

Isenhart

Titel: Isenhart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Karsten Schmidt
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sich nur zwei Dinge zu bewegen schienen, nämlich der Staub, den eine der seltenen Brisen aufwirbelte, und die Schar dieser Vögel, die auf sieben Exemplare angewachsen war.
    Konrad erstarrte. Er deutete Richtung Nordwest. »Da ist eine Hütte.«
    Isenhart folgte dem Blick des Freundes. Konrad hatte recht.
    Sie näherten sich der Behausung, an die sich noch zwei weitere Hütten anschlossen. Dazu ein Gatter für das Vieh, in dem sich allerdings keines befand; es mochte schon vor Langem verendet oder von seinen Besitzern an einen barmherzigeren Ort mitgenommen worden sein.
    Sie entdeckten – bis auf die Behausungen selbst – nichts, was auf die Anwesenheit von Menschen hinwies. Niemand, der die Türen der Hütten verschloss, die sich knarrend im Wind wiegten, niemand, der ihnen entgegenkam oder das Wort an sie richtete. In der Tat überhaupt keine Menschenseele.
    Der Wind hatte zugenommen, er sorgte nicht mehr nur hier und da für Verwirbelungen. Um dem Sand, der mit einem Prickeln über ihre Gesichtshaut wanderte und ihnen in die Augen getrieben wurde, zu entgehen, führten sie ihre erschöpften Pferde einfach in die erstbeste Hütte – und erschraken.
    Da war ein merkwürdiger Luftzug im Halbdunkel der Hütte, an das ihre Augen sich noch nicht ausreichend gewöhnt hatten. Weileines der Pferde die Ohren anlegte, war Isenhart davon überzeugt, dass sich etwas in dieser Behausung befinden musste. Etwas Lebendiges.
    Sie vernahmen ein trockenes Schlagen in der Luft, dann flatterte ein Gänsegeier an ihnen vorbei, stieß einen schrillen Laut aus, der die Pferde scheuen ließ, und verschwand. Mit aufgeschreckten Mienen sahen sie dem Vogel nach, Isenhart runzelte die Stirn. Was hatte der Vogel in der Hütte verloren? Hatte er Schutz gesucht vor dem sandigen Wind?
    Er wandte sich wieder um, nur zögerlich mochte sein Pferd ihm ins Halbdunkel folgen. Als sie den Leichnam am Boden entdeckten, begriffen sie, weshalb der Vogel sich in der Hütte aufgehalten hatte. Aus dunklen Augenhöhlen schien der Verstorbene sie anzustarren, an den Augäpfeln hatte der Aasfresser sich zuerst gelabt. Die beiden dunklen Hohlräume verliehen dem Gesicht etwas Anklagendes. Danach hatte der Gänsegeier sich an den Lippen schadlos gehalten und damit die Zähne freigelegt, sodass der Klage, die von den fehlenden Augen auszugehen schien, von dem morbiden unablässigen Grinsen der Zähne widersprochen wurde. Isenhart war, als hätte der Gänseadler sich einen pietätlosen Jux geleistet.
    Der Leichnam trug das Kreuzzugssymbol, rotes Kreuz auf weißem Grund – gleichzeitig auch das Wahrzeichen der freien Seerepublik Genova, wie sie mittlerweile wussten –, auf Brust und Rücken.
    »Draußen liegt noch einer«, sagte Konrad hinter ihm. Die Worte passierten seine aufgesprungenen Lippen nur schleppend.
    »Hat er Lederschläuche dabei?«
    »Ich seh nach.«
    Konrad stapfte hinaus, während Isenhart sich im Inneren der Behausung nach Wasser umsah und dabei vermied, in das groteske Antlitz des Toten zu blicken.
    Waren die beiden Kreuzzugsteilnehmer im Kampf mit Mauren ums Leben gekommen? Hatten sie hier gehaust? Waren sie es, die man überfallen hatte?
    Wer auch immer in dieser unwirtlichen Gegend sein Dasein gefristet hatte, dachte Isenhart und wurde dabei gewahr, dass selbst die Gedanken sich so langsam und so zäh bewegten wie Füße durch Morast, wer auch immer hier gelebt haben mochte – auch er benötigte Wasser. Kein Mensch errichtete hier Hütten, um darin zu verdursten.
    »Brunnen«, brüllte Konrad gegen den aufkommenden Sturm an, »hier ist ein Brunnen!«
    Isenhart schluckte, und selbst das kostete ihn Mühe. Er wandte sich um und stakste auf unsicheren Beinen hinaus. Der aufgewirbelte Sand begrenzte die Sicht auf vielleicht sechzig Fuß. Konrad von Laurin stand an einem kreisförmig gemauerten Brunnen.
    Ein Lachen wurde vom Wind an Isenharts Ohr vorbeigetragen, ganz so wie das helle Krächzen des Gänsegeiers wenige Augenblicke zuvor. Dieses Mal war das Lachen menschlichen Ursprungs. Etwas zu hell, um aus den Lungen des jungen Laurin zu stammen, auch eine Spur zu hysterisch und damit eigentlich von femininem Wesen. Dessen ungeachtet war es doch Konrad, der sich in den Sand gesetzt hatte, den Rücken an den Brunnen gelehnt, und lachte.
    Isenhart war mit jeder Regung des Freundes bestens vertraut, dieses Lachen allerdings war auch ihm neu. Es entsprang nicht der Heiterkeit, sondern war ein Ausdruck der Verzweiflung.
    Als Isenhart einen

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