Isenhart
des lieben Friedens willen einlenkte. Zum Schein, versteht sich.
Signor Ray war zufrieden. Er ermahnte sie lediglich, den Begriff entfernte Verwandte nicht im Beisein seiner Familie zu benutzen, da der Engelmacher in diesem Haus schon mehrmals ein und aus gegangen war.
Vor der Vesper halfen sie Marco Ray dabei, die geschmolzene Butter – daher der Molkegeruch – aus dem Kessel in die drei verbliebenen Fässer zu füllen.
In den hölzernen Bottichen hatte Signor Ray zuvor mit der erforderlichen Vorsicht Keramik- und Glasarbeiten abgelegt und gestapelt. Teller und Becher in jenem typischen schwachen Rot. Einige Becher waren transparent und überwiegend grün. Es lagerten flache Schüsseln über Serviertellern, Kannen neben Vasen, mit biblischen Motiven verzierte Kirchenscheiben unter Töpfen.
»Jetzt ist alles in Butter«, sagte Marco Ray nach getaner Arbeit sichtlich zufrieden.
Durch andere Händler war ihm zu Ohren gekommen, welch beträchtlichen Schaden der schwierige Pass über die Alpen an den zerbrechlichen Waren anzurichten vermochte. Die Butter, die über Nacht abkühlen und sich verdicken würde, so erfuhren Isenhart und Konrad, schützte die Keramik- und Glasprodukte vor jeglicher Erschütterung. Und am Zielort angekommen, war es lediglich nötig, die Butter zu erhitzen und die transportierten Gegenstände abzuwaschen.
Isenhart war von der Wechselwirkung zwischen Einfachheit und Effizienz dieser Maßnahme sehr angetan. Konrad empfand sie schlicht als klug. Butter in so einer Masse zu verschwenden, um viel kostbarere Erzeugnisse zu schützen, darauf musste man erst einmal kommen!
Die Frau des Milanen war im Frühjahr an der Ruhr gestorben. Sie und Signor Ray hatten zuvor vierzehn Kinder in die Welt gesetzt, von denen – in der Nachbarschaft hatte man bereits getuschelt,dass in dieser Sippe etwas nicht mit rechten Dingen zuging – neun überlebt hatten. Ein Übermaß, das den Verdacht gläubiger Eiferer in der Gasse erregte, in der die Rays wohnten.
Da Marco Rays Frau 31 Jahre alt gewesen war, als der Schnitter sie holte, erschien der Nachbarschaft dieser relativ frühe Tod als eine Art ausgleichende Gerechtigkeit, das Gebären hatte endlich ein Ende, die Gerüchte verstummten.
Und Signor Ray war für sein Alter, Ende dreißig, ein ansehnlicher Mann. Mit einem Gewerbe dazu. Und vielen Kindern, die einen mit durchbringen konnten, wenn man alt und gebrechlich wurde, wenn die Augen nachließen und die anderen Sinne. Wenn die Schmerzen in den Gelenken und Knochen fröhlich Einzug hielten.
Ja, unter diesen Gesichtspunkten war Signor Ray für eine alte ebenso wie für eine junge Frau eine glänzende Partie.
Diejenige, die das Herbstlaub bereits umwehte, durfte auf Zuflucht, Hilfe und Trost hoffen, wenn Marco Ray – der Herr hab ihn selig – den Weg allen Fleisches gegangen sein würde. Kein Dahinvegetieren auf der Straße, kein Zusammenbrechen auf dem Acker, sondern das Ableben im Kreise von Stiefkindern, möglicherweise würde ihr jemand die Hand halten und beruhigende Worte flüstern. Und ihr Wasser reichen und einen Brei, den sie ohne Zähne zu sich nehmen konnte.
Die junge Gemahlin dagegen würde sich das Erbe mit dem ältesten Sohn teilen, was immer noch ausreichen würde, um sich keine allzu großen Schwielen mehr an den Händen zu holen. Für einen Junggesellen aus der Handwerkerschaft hätte sie dann die passende Mitgift parat.
Aus diesen Gründen herrschte bei der Familie Signor Rays nie Hunger. Allabendlich fanden sich Frauen, junge und alte, die sich mit einem Essen oder einem anderen Geschenk ins Spiel zu bringen wussten. Allesamt Witwen.
Eine von ihnen kochte am Abend für Marco Ray und seine Kinder und mittlerweile auch Kindeskinder, es gab insgesamt dreizehn Münder zu stopfen, auf zwei mehr kam es dabei nicht an, zumal es die Gastfreundschaft gebot, Fremden Unterkunft und Speise zu gewähren.
Die Kinder amüsierten sich prächtig, als Isenhart und Konrad beiWahrung ihrer Würde jene gekochten Fäden aus Weizen zu sich zu nehmen versuchten, die man ihnen auf ihre Teller gefüllt hatte.
»Pasta«, antwortete die Frau auf Konrads Frage, was er da zu sich nahm.
»Die Muslime nennen es Itryah«, wusste Marco Ray zu berichten, »und es ist bei ihnen sehr beliebt.«
Konrad verzog ein wenig das Gesicht. Durfte ihm etwas schmecken, was ebenfalls den Gaumen dieser Ungläubigen erfreute? Isenhart bemerkte das Zögern des Freundes und interpretierte es richtig. Er entlockte ihm ein
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