Isis
ohne Erlaubnis Zutritt erhalten sollte.
Es war kein Zufall, dass dieses neue Domizil nur wenige Straßen von einem anderen Anwesen trennten. Hier wohnte seit kurzem Nezem mit seiner Familie. Er hatte sich den Umzug leisten können, weil er zum Ersten Bildhauer der »Gottesgemahlin des Amun« aufgestiegen war und damit als oberster aller Steinarbeiter am rasch expandierenden Hof Schepenupets fungierte.
Als Nächstes entließ Basa alle Diener und Mägde. Nicht einmal Neshet, die schon so viele Jahre im Haus war, wurde von dieser Entscheidung ausgenommen. Die meisten schienen nicht unglücklich darüber, denn der Baumeister war ein strenger Herr, der viel verlangte und selten zufrieden war.
Aber es gab auch einige, die ungern fortgingen, schon weil sie Khay und Anu ins Herz geschlossen hatten und sich Sorgen machten, was mit den mutterlosen Söhnen nun geschehen würde.
Die alte Dienerin nahm die Kündigung wortlos entgegen und verrichtete bis zum letzten Tag ihre Arbeiten wie gewohnt. Bevor sie Basas Haus verließ, umarmte sie die beiden Kinder, die sich in seltener Eintracht an ihren Rock klammerten und sie anflehten, doch bei ihnen zu bleiben.
»Ich werde auch niemals wieder frech sein«, versprach Khay, inzwischen elf Jahre alt und im Gegensatz zu seinem jüngeren Bruder ein vorlauter, aufsässiger Schüler, der den Lehrern viel Geduld abverlangte. »Und immer ohne Murren alles aufessen, was du gekocht hast. Auch wenn es noch so scheußlich schmeckt.«
»Und ich w-w-werde ...« Wenn Anu aufgeregt war, stotterte er unweigerlich, was seinen Vater zur Weißglut brachte. »Ich w-w- .«
»Langsam, mein kleiner Liebling, langsam!«, sagte Neshet.
»Lass dir Zeit! Dann geht es gleich viel besser.«
Dünne Arme schlangen sich um ihren Hals, und Anu blies ihr seinen salzigen Atem ins Gesicht. Er hängte sich mit seinem ganzen Gewicht an sie, wie früher, als er sie manchmal mit einer Schaukel aus Fleisch und Blut verwechselt zu haben schien. In ihr Haar vergraben, holte er tief Luft.
»Ich w-w-werde dich nie vergessen«, sagte er ernst und wischte seine Tränen weg. »Versprochen! Wirst du jetzt auch tot wie unsere Mama?«
»Das will ich doch nicht hoffen! Obwohl ich schon alt bin, wünsche ich mir, dass die Götter mir noch ein paar schöne Jahre schenken.« Behutsam machte Neshet sich frei. »Und jetzt lasst mich durch! Ich habe mit eurem Vater zu reden.«
Basa saß über Bauzeichnungen gebeugt und sah erst auf, als Neshet ein paar Mal gehüstelt hatte.
»Ja?« An seinem Tonfall erkannte sie, wie ungelegen sie kam.
»Ich wollte mich verabschieden«, sagte Neshet. »Deshalb bin ich hier.«
»Was nicht notwendig gewesen wäre.« Mit dem Zeigefinger fuhr er die Linien nach. Er hatte Papyrus verwendet, nicht gerade das übliche Material für Konstruktionspläne. »Wie du siehst, habe ich zu tun.«
»Ich denke, es war doch notwendig.«
Jetzt musterte er sie leicht verblüfft. »Ist noch etwas? Hast du deinen Lohn nicht bekommen?«
»Zu viel«, sagte Neshet. »Das ist es, was mich stutzig macht.«
»Du hast uns lange Jahre treu gedient«, sagte er und starrte auf die Zeichnung, als fände er dort die Antwort. »Ich wollte mich erkenntlich zeigen. Auch im Namen meiner Söhne. Sie mögen dich. Alle beide.« Mit einem zerstreuten Blinzeln sah er wieder auf. »Ich bin in Eile. Also fass dich kurz! Montemhet hasst es zu warten.«
»Was hast du vor?« Neshet ließ sich nicht einschüchtern.
»Was sollte ich vorhaben?«, Basa klang beinahe amüsiert.
»Nun, das neue Haus, die Entlassung aller Bediensteten, und dass du sogar mich nach all den Jahren fortschickst, obwohl du genau weißt, wie sehr deine Söhne an mir hängen - du führst doch etwas im Schilde!«
Jetzt besaß sie seine Aufmerksamkeit. Er schob den Papyrus ein Stück zur Seite. »Ich wüsste zwar nicht, was dich das anginge«, sagte er bedächtig, als wäge er jedes Wort sorgfältig ab, »aber um deine Neugierde zu stillen und neuerlichen Spekulationen vorzubeugen: Ich habe mich entschlossen, meine Mutter nach Waset zu holen. Die Kinder brauchen eine starke weibliche Hand. Und ich eine würdige Herrin für mein neues Haus. Zufrieden?«
Neshet schnappte nach Luft. Alles hatte sie erwartet, nur das nicht. Gleichzeitig machte es sie misstrauisch, dass er so bereitwillig geantwortet hatte, ihr, einer Dienerin, wo Basa es doch sonst immer so genau mit Standesschranken nahm.
»Ich dachte immer, deine Mutter sei tot«, sagte sie unverblümt. »Lange schon.
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