Isländisch Roulette: Thriller (German Edition)
sieht auf den Bildschirm vor sich, der die Organisation der Eigentumsanteile des Hedgefonds zeigt.
Auf seine Veranlassung hin hat ein Rechtsexperte von Kaupþing in Luxemburg fünf Offshore-Gesellschaften für Reynir Sveinn und Steinn Þorri gegründet, bei denen die Bank selbst Eignerin der Dokumente ist. Die Struktur ist simpel. Kaupþing gründet zwei Gesellschaften, Race Associated und Stonecold Holding S.A. auf Tortola auf den Britischen Jungferninseln. Diese Gesellschaften besitzen dann die Roni Holding S.A. und die Stonefree Holding S.A., die in Malta registriert sind. Diese Gesellschaften sind dann die Eigner der Stoneroses Holding S.A., die in Luxemburg registriert ist. Diese Gesellschaft besitzt schließlich den Glaciers Capital Fund. Auf dem Papier ist Kaupþing Luxemburg Eigentümerin der Gesellschaften, doch dahinter stehen die wirklichen Besitzer: Steinn Þorri und Reynir Sveinn.
Wenn alles klappt, wird Jón Þorbergur in wenigenJahren Milliardär sein. Er wird zwei Prozent Provision für Verwaltungstätigkeiten am Ende jedes Jahres erhalten und zwanzig Prozent des jeweiligen Jahresgewinns oberhalb von zwanzig Prozent. Er legt die Füße auf den Tisch und träumt von der Zeit, in der er in Geld schwimmen wird.
Der Tanz beginnt. Am besten, man beginnt jetzt Geld zu verdienen, denkt er, nimmt den Hörer zur Hand und ruft seinen Freund an, der eine hohe Position in einer der drei großen Banken auf Island innehat.
10
Reykjavík, Montag, 17. Mai 2010
»Sitzung!«, ruft Gunnar Finnbjörnsson das Personal des Polizeireviers an der Hverfisgata zusammen. Es ist acht Uhr und auf nichts mehr zu warten. Die Leute trudeln im Konferenzraum ein.
»Es hat sich einiges getan, seit wir gestern Abend nach Hause gegangen sind«, informiert Gunnar. »Rúnar! Willst du nicht beginnen?«
»Das gestohlene Auto ist wieder aufgetaucht. Die Jungs von der Station am Dalvegur haben es heute Nacht gefunden, als sie auf Kontrollfahrt im Viertel Smiðjuhverfi waren. Die KTU nimmt es gerade unter die Lupe, und wir bekommen hoffentlich heute noch ein paar Ergebnisse.« Er pinnt ein Foto aus der Verkehrsüberwachungskamera an die Tafel. »Das hab ich gefunden, als ich gestern Abend die Überwachungskameras gecheckt habe. Es ist dasselbe Auto, und wie ihr seht, haben wir ein Bild vom Fahrer. Man kann sein Gesicht eigentlich nicht deutlich erkennen, aber er hat ein Tattoo auf der rechten Seite am Hals. Das müssen wir durch unsere Datenbank laufen lassen.«
»Super, Rúnar«, sagt Gunnar. »Jetzt müssen wir uns ranhalten. Irgendetwas sagt mir, dass wir noch Druck von oben bekommen werden. Bjarni! Du fährst mit einer Gruppe los und vernimmst die Schwester und die anderen Gäste der Hochzeit.« Gunnar sieht einen hochgewachsenen, dunkelhaarigen Mann an, der mit den Füßen auf dem Tisch dasitzt und Kaugummi kaut. »Und du, Einar, musst seine Geschäftspartner ausfindig machen und dahinterkommen, ob er Geschäfte mit der Mafia gemacht hat, wie
Dagblaðið
heut durchblicken lässt, und dann auch, mit wem. Rúnar Páll knöpft sich das Tattoo vor. Wir haben immer noch nicht die Mordwaffe gefunden und auch nicht den rechten Daumen. Also, legen wir los, Leute!«
Gunnar blickt den Kollegen hinterher, wie sie das Zimmer verlassen. Das wird nicht einfach. Das Telefon auf seinem Tisch klingelt.
»Gunnar! Kannst du in zehn Minuten zu mir ins Büro kommen«, fragt Polizeihauptkommissar Benedikt Bjarni Finnbogason am anderen Ende der Leitung.
»Kein Problem. Ich komm, so schnell ich kann.«
Gunnar geht mit schweren Schritten hinauf in die dritte Etage der Polizeistation und in die Richtung von Benedikts Büro. Verdammter Unfug. Wenn irgendein dicker Fisch umgebracht wurde, verlieren die Bosse sofort die Nerven. Wenn normale Leute umgebrachtwerden, gibt es nie so ein Theater, denkt er und klopft an die Tür.
»Komm rein«, ist von drinnen zu hören.
Gunnar öffnet die Tür.
»Hallo, mein Lieber! Das ist ja ein dicker Fisch, den du da an der Angel hast«, sagt Benedikt, der an seinem Schreibtisch sitzt. Er ist klein und schlank, fast schmächtig. Gunnar sieht auf den Mann vor sich herab, und seine Augen bleiben an dem hängen, was die meisten bemerken, wenn sie Benedikt zum ersten Mal begegnen: ein braunes Muttermal rechts über der Oberlippe. Benedikt hat davon gefaselt, dass es so ein Muttermal ist, wie Cindy Crawford eines hat, doch dieses hier ist nicht besonders schön. Erst einmal ist es drei Mal größer, und
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