Isländisch Roulette: Thriller (German Edition)
hatte dich angerufen. Schön, dass du kommen konntest. Komm mit mir!«
Der alte Mann folgt Gunnar wie benommen hinauf in die zweite Etage, in ein Zimmer mit einem Tisch und zwei Stühlen.
»Hier können wir reden«, sagt Gunnar.
Reynir nimmt Gunnar gegenüber Platz.
»So wie ich dir am Telefon erklärt habe, versuchen wir zu ermitteln, wer deinen Sohn vor seinem Haus erstochen hat und wie es dazu kam. Hast du irgendeinen Verdacht?«
»Ich habe viel darüber nachgedacht, aber ich komme einfach zu keinem Schluss. Es gibt nur eine Seite, die möglicherweise hinter dieser schrecklichen Sache stecken könnte«, sagt Reynir.
»Und wer ist das?«
»Die Mafia.«
»Welche Mafia?« Gunnar ist sichtlich überrascht.
»Na, die russische natürlich.«
»Das heißt, die Gerüchte darüber, dass dein Sohn in Geschäfte mit der Mafia verwickelt war, sind wahr?«
Reynir nickt.
»Was für Geschäfte waren das? Hat die Mafia die Geschäfte in Ungarn finanziert?«
»Nein, das war erst später. Ich sollte davon nie erfahren, aber er hat mir im letzten Jahr eines Abends davon erzählt, als wir bei ihm zu Hause zusammen saßen, Vater und Sohn.«
»Um was ging es dabei eigentlich?«
»Das war, als er vor drei Jahren die Sportartikelladenkette in Frankreich verkauft hat. Niemand hatte je erfahren, wer dahinter stand.«
»Ach so, ja. Und was weißt du über diesen Verkauf?«
»Mir ist bekannt, dass er das ganze Unternehmen verkauft hat. Und die Mafia oder eine mit ihr verbundene Firma hat es gekauft. Ich weiß, dass er irgendeine Zahlung in bar erhalten hat, die er in einem speziell konstruierten Zimmer in seiner Wohnung in Paris aufbewahrt. Mehr weiß ich nicht, doch es scheint wohl so zu sein, dass die Mafia dieses Geschäft bereut hat und sich rächen wollte.«
»Sich wofür rächen?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß wirklich nicht, wie diese Leute arbeiten«, sagt Reynir.
»Gibt es niemanden sonst, der noch eine offene Rechnung mit deinem Sohn haben könnte?«
»Viele waren natürlich neidisch auf ihn, aber ich kenne niemanden, der so weit gehen würde.«
»Weißt du, wie viel Geld er besaß, als er starb?«
»Nein, ich habe keine Ahnung, und ich bezweifle, dass er es selbst gewusst hat.«
»Eine Frage muss ich dir stellen. Wo warst du am zehnten Mai um Mitternacht?«
»Ich lag zu Hause in Garðabær in meinem Bett neben meiner Frau und habe geschlafen. Wir sind von der Hochzeit unserer Tochter ungefähr gegen Mitternacht nach Hause gekommen und kurz danach ins Bett gegangen. Wir sind keine Nachteulen.«
»In Ordnung! Dann war es das erst einmal, aber ich bräuchte dich vielleicht später noch mal.«
»Das ist überhaupt kein Problem. Ruf einfach an. Ich vertraue darauf, dass ihr alles unternehmt, was in eurer Macht steht, um den Mörder meines Sohnes zu finden.«
Gunnar ist ein einziges Fragezeichen, als Reynir hinausgeht. Soso! Die russische Mafia. Kleiner geht es wohl nicht …
»Rúnar! Was weißt du über die Umtriebe der russischen Mafia auf Island?«, fragt Gunnar und lässt sich bei seinem Kollegen auf den Stuhl fallen.
»Nicht viel, muss ich gestehen. Aber ich werde mit der Abteilung Innere Sicherheit vom Nationalen Polizeipräsidium sprechen. Die Mitarbeiter dort haben internationale Verbrechersyndikate kartiert, die hier Fuß gefasst haben.«
»Und wie kommst du mit dem Tattoo voran?«
»Das geht nur langsam. Hier haben wir nichts gefunden, aber Ingimar vom NPK hat es zu Europol rausgeschickt. Hoffentlich bekommen wir was von ihnen, worauf wir weiter aufbauen können.«
Gunnar blickt mit einem ziemlichen Schaudern über Rúnars Schreibtisch, auf dem sich mindestens fünf Halbliterflaschen Coke und alle möglichen Verpackungen von Süßigkeiten und Snacks angesammelt haben. Der Junge muss aufhören, diese Zuckerdrinks zu trinken, denkt er, beschließt aber, nichts zu sagen. Es liegt nicht in seinem Wirkungskreis, ihn zu erziehen.
Hörður Sveinsson steht besorgt mitten im Raum der Redaktion des
Dagblaðið
und schaut in die Runde. Die Ausgabe des Tages hat eingeschlagen, und alle anderen Nachrichtenmedien haben auf die Meldung über den Mord in ihrer Zeitung verwiesen. Dafür könnensie sich morgen allerdings auch schon nichts mehr kaufen. Sie müssen hier und jetzt noch etwas Exklusives für morgen finden.
»Liebe Leute! Wir müssen in dieser Sache in der Ausgabe von morgen noch weiter aufdrehen«, sagt Hörður in die Runde.
»Aber wir finden nichts Neues. Wir können uns ja keine
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