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Ismael

Ismael

Titel: Ismael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Quinn
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Ausflüchte mehr, kein Wort; tun Sie die Arbeit sofort oder zahlen Sie den Vorschuß zurück. Ich sagte, ich würde die Arbeit sofort erledigen. Ich brachte meinen Onkel zum Flughafen, ging nach Hause und setzte mich an den Computer. So umfangreich ist die Arbeit ja gar nicht, beruhigte ich mich - unnötig, deswegen zu Ismael zu fahren, um ihm zu sagen, ich sei noch ein, zwei Tage länger nicht abkömmlich.
    Aber irgend etwas in mir schlug Alarm.
    Ich bete um gesunde Zähne - wer tut das nicht? Ich habe keine Zeit, sie jeden Tag mit Zahnseide zu reinigen - man kennt das. Bleibt hängen, sage ich ihnen, ich kümmere mich schon um euch, bevor es zu spät ist. Aber in der zweiten Nacht gab ein Backenzahn ganz weit hinten den Geist auf. Am nächsten Morgen machte ich einen Zahnarzt ausfindig, der bereit war, ihn herauszunehmen und anständig zu beerdigen. Als ich auf dem Zahnarztstuhl saß und der Arzt mir Spritze um Spritze verabreichte, mit seinen Instrumenten herumfuchtelte und mir den Blutdruck maß, dachte ich ständig: »Hör zu, ich habe nicht so viel Zeit - zieh ihn raus und Schluß.« Aber er hatte recht mit seinen Vorbereitungen. Mein Gott, was hatte dieser Zahn für Wurzeln! Einmal fragte ich den Zahnarzt, ob er nicht leichter von hinten an den Zahn rankommen könnte.
    Als alles vorbei war, mutierte der Zahnarzt plötzlich zum Zahnpolizisten. Er schimpfte mich heftig aus, bis ich völlig zerknirscht war. Ich nickte nur noch, gelobte Besserung und dachte: »Lieber Zahnarzt, bitte gib mir noch eine Chance, den Schaden wiedergutzumachen.« Schließlich ließ er mich gehen, aber als ich nach Hause kam, zitterten mir die Hände, und die Watterollen, die mir aus dem Mund fielen, sahen gar nicht gut aus. Ich schluckte den ganzen Tag Schmerzmittel und Antibiotika und betrank mich sinnlos mit Bourbon.
    Als ich mich am nächsten Morgen wieder an die Arbeit setzte, schlug immer noch etwas in mir Alarm.
    »Noch ein Tag«, sagte ich mir. »Heute abend trage ich das hier zur Post, und auf einen Tag mehr kommt es nun auch nicht mehr an.«
    Der Glücksspieler, der seinen letzten Hunderter auf Ungerade setzt und dann sieht, daß die Kugel auf der Achtzehn liegen bleibt, wird sagen, er habe schon in dem Augenblick, in dem er den Chip aus der Hand gab, gewußt, daß er die Wette verlieren würde. Er habe es gewußt und gefühlt. Aber natürlich, wenn die Kugel statt dessen ein Feld weiter auf die Neunzehn gerollt wäre, würde er erfreut sagen, daß solche Vorahnungen oft trögen.
    Meine trog nicht.
    Schon vom Eingang aus sah ich eine überdimensionale Bodenreinigungsmaschine am anderen Ende des Flurs vor Ismaels halb geöffneter Tür stehen. Als ich den Flur entlangging, trat ein Mann mittleren Alters in einer grauen Uniform rückwärts aus der Tür und schickte sich an, sie abzuschließen. Ich rief ihm zu, er solle warten.
    »Was machen sie da?« fragte ich grob, als er mich hören konnte, ohne daß ich schreien mußte.
    Die Frage verdiente keine Antwort, und er gab mir keine.
    »Hören Sie mal«, sagte ich, »ich weiß ja, es geht mich nichts an, aber würden Sie mir bitte sagen, was hier los ist?«
    Er sah mich an, als sei ich eine Kakerlake, die er eigentlich schon vor einer Woche umgebracht zu haben glaubte. Trotzdem bewegte er schließlich die Lippen und ließ einige Worte durch: »Mache die Wohnung für einen neuen Mieter fertig.«
    »Ach so«, sagte ich. »Aber, äh, was ist mit dem alten passiert?«
    Er zuckte gleichgültig die Schultern. »Flog wahrscheinlich raus. Zahlte ihre Miete nicht.«
    »Ihre?» Ich hatte für einen Augenblick ganz vergessen, daß Ismael nicht selbst der Mieter war.
    Der Mann beäugte mich mißtrauisch. »Dachte, Sie kennen die Dame.«
    »Nein, ich, äh ... kannte den, äh ...«
    Er starrte mich verständnislos an.
    »Hören Sie mal«, stotterte ich, »wahrscheinlich ist da drin eine Nachricht für mich oder so was.«
    »Da ist gar nichts mehr drin, außer einem schlechten Geruch.«
    »Hätten Sie was dagegen, wenn ich selbst mal nachsehe?«
    Der Mann drehte sich um und schloß ab. »Besprechen Sie das mit der Verwaltung, ja? Ich habe zu tun.«
    2
    Die »Verwaltung« in Person einer Empfangsdame sah keine Veranlassung, mir Zutritt zum Büro zu gewähren, und erteilte auch keinerlei Auskünfte über irgend etwas, das ich nicht schon wußte: daß die Mieterin mit der Miete im Rückstand gewesen sei und daß man ihr deshalb gekündigt habe. Ich versuchte sie mit einem Teil der Wahrheit aus der

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