Ismael
Reserve zu locken, aber sie reagierte nur mit Spott: Daß ein Gorilla die Wohnung bewohnt hätte, sei ausgeschlossen.
»In Räumen, die unsere Firma vermietet, wurden und werden keine solchen Tiere gehalten.«
Ich bat sie, mir wenigstens zu sagen, ob die Mieterin Rachel Sokolow geheißen habe, eine Auskunft, die schließlich ganz harmlos sei.
»Darum geht es nicht«, erwiderte sie. »Wenn ihre Neugier berechtigt wäre, wüßten Sie bereits, wer die Mieterin war.«
Mit der landläufigen Empfangsdame hatte sie nichts gemein. Sollte ich je eine Empfangsdame brauchen, finde ich hoffentlich eine wie sie.
3
Im Telefonbuch gab es ein halbes Dutzend Sokolows, aber keine Rachel Sokolow. Es gab nur eine Grace, deren Adresse zur Witwe eines reichen jüdischen Kaufmanns paßte. Am nächsten Morgen setzte ich mich in aller Frühe ins Auto, um mir heimlich das Grundstück genauer anzusehen. Ich wollte wissen, ob es dort einen Pavillon gab. Dem war tatsächlich so.
Ich ließ das Auto waschen, brachte meine seriösen Schuhe auf Hochglanz und bürstete die Schultern meines einzigen Anzugs, den ich für Hochzeiten und Beerdigungen bereithalte. Dann wartete ich bis zwei Uhr, weil ich nicht beim Lunch oder Tee stören wollte.
Der amerikanische Zuckerbäckerstil der Jahrhundertwende ist nicht jedermanns Geschmack, aber zufällig mag ich ihn, wenn das Ergebnis nicht aussieht wie eine Hochzeitstorte. Die Villa der Sokolows war von kalter Pracht, hatte aber irgendwie auch eine kleine Prise Witz. Ich klingelte und konnte dann in aller Ruhe die Eingangstür studieren, ein eigenständiges Kunstwerk aus Bronze, das den Raub der Europa, die Gründung Roms oder sonst eine alte Kamelle zeigte. Schließlich wurde die Tür von einem Mann geöffnet, der die Kleider, das Aussehen und das Benehmen eines Ministers hatte. Er brauchte gar nicht »Ja?« zu sagen oder »Sie wünschen?«, er erledigte das mit einem Zucken der Augenbraue. Ich sagte, ich wolle Mrs. Sokolow sprechen. Er fragte, ob ich angemeldet sei, obwohl er genau wußte, daß ich das nicht war. Mir war klar, daß ich bei ihm nichts ausrichten würde, wenn ich sagte, es handle sich um eine persönliche Angelegenheit - mit anderen Worten, es gehe ihn nichts an. Deshalb beschloß ich, deutlicher zu werden.
»Um die Wahrheit zu sagen, ich suche nach ihrer Tochter.«
Er musterte mich ausgiebig. Dann sagte er: »Sie sind kein Bekannter von ihr.«
»Zugegeben, nein.«
»Sonst wüßten Sie, daß sie vor drei Monaten gestorben ist.«
Seine Worte trafen mich wie ein Schwall eiskalten Wassers.
Wieder zuckte er mit der Augenbraue, was soviel hieß wie: Noch was?
Ich beschloß, noch deutlicher zu werden.
»Waren Sie schon zu Mr. Sokolows Zeiten hier?«
Er runzelte die Stirn und ließ mich dadurch wissen, daß er die Wichtigkeit dieser Frage bezweifelte.
»Der Grund, weshalb ich frage, ist... darf ich fragen, wie Sie heißen?«
Er bezweifelte auch die Wichtigkeit dieser Frage, ließ sich aber zu einer Antwort herab. »Ich heiße Partridge.«
»Gut, Mr. Partridge. Der Grund, weshalb ich frage, ist... Kannten Sie Ismael?«
Seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
»Um Ihnen reinen Wein einzuschenken, ich suche gar nicht Rachel, ich suche Ismael. Soviel ich weiß, hat Rachel sich nach dem Tod ihres Vaters mehr oder weniger um ihn gekümmert.«
»Woher wissen Sie das?« fragte er mit unergründlicher Miene.
»Mr. Partridge, wenn Sie die Antwort auf diese Frage kennen, dann werden Sie mir wahrscheinlich helfen«, sagte ich. »Wenn nicht, dann wahrscheinlich nicht.«
Das war pfiffig argumentiert, und er belohnte es mit einem Nicken. Dann fragte er, warum ich Ismael suche.
»Er ist nicht dort, wo er ... sonst ist. Man hat ihn offenbar rausgeworfen.«
»Jemand muß ihn weggebracht haben. Ihm geholfen haben.«
»Natürlich«, sagte ich. »Ich glaube nicht, daß er bei Hertz ein Auto gemietet hat.«
Partridge ignorierte den Witz. »Ich weiß wirklich nichts, tut mir leid.«
»Und Mrs. Sokolow?«
»Wenn sie etwas wüßte, würde ich es als erster wissen.«
Ich glaubte ihm, sagte aber: »Sagen Sie mir, wo ich die Suche anfangen soll.«
»Ich weiß nicht, wo Sie anfangen sollen. Jetzt, da Miss Sokolow tot ist.«
Unschlüssig überlegte ich eine Weile. »An was ist sie gestorben?«
»Sie kannten sie nicht?«
»Überhaupt nicht.«
»Dann geht Sie das wirklich nichts an«, sagte er, nicht ärgerlich, sondern nur so, wie man eine Tatsache feststellt.
4
Ich dachte daran, einen
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