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Isola - Roman

Isola - Roman

Titel: Isola - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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Schneidersitz auf einem gelben Sitzkissen. Auf ihren Knien lag der Zeichenblock und ihr Stift huschte mit flinken Bewegungen über das Papier. Sie war die Einzige im Raum, die ganz auf sich konzentriert war. Verstohlen musterte ich ihre Glatze. Sie hatte eine wunderschöne Kopfform und ich fragte mich, welche Farbe ihre Haare wohl hätten.
    Pearl und Milky waren in der Küche, von wo mir der Duft von frischem Obst und Kokosnüssen in die Nase stieg. Die anderen saßen am Tisch oder liefen nervös im Raum herum. Ein Gespräch kam nicht zustande.
    Es fällt mir schwer, die Atmosphäre zu beschreiben, die an diesem ersten Abend herrschte. Wir bewegten uns wie auf einer Bühne, die keine Bühne war, und bemühten uns verzweifelt um Normalität.
    Als Milky aus der Küche fragte, ob jemand Hunger hätte, war seine Stimme eine Spur zu laut, und als Pearl die Lebensmittel aus der großen Speisekammer aufzählte und dabei eine Flasche Milch auf den hellen Steinboden fallen ließ, klang Elfes Lachen hysterisch. Ich hatte bei unserer Zusammenkunft im Restaurant nur dieses winzige Brot mit Schinken gegessen, aber mein Magen war wie zugeschnürt. Den anderen schien es ähnlich zu gehen.
    Solos schwarzer Labrador lag unter einer der Zimmerpalmen. Er furzte, ein knarzender, lang gezogener Ton, aber nicht mal das brachte echte Heiterkeit auf.
    Es war Joker, der ziegenbärtige Junge mit dem Harlekingesicht, der uns erlöste. Er verließ den Raum und kehrte kurz darauf mit einem großen Gummilappen in der Hand zurück. Das Ding sah aus wie eine Luftmatratze, aber dann legte Joker seinen Mund an die Seite, um es aufzupumpen, und so lernten wir seine Tante Käthe kennen. Sie war eine lebensgroße Gummipuppe, mit einem Körper wie Darling – und einer grauen Plastikdauerwelle.
    »Tante Käthe mag gerne Obst«, verkündete Joker. Er setzte die Gummipuppenoma auf einen der schwarz lackierten Stühle und steckte ihr eine Banane in den offenen Mund. Für den Bruchteil einer Sekunde herrschte Stille, dann brach das Gelächter aus. Es war wie ein befreiendes Gewitter nach einem drückenden Tag. Nur Moon hatte lediglich einen flüchtigen Blick für Tante Käthe übrig, dann beugte sie sich wieder über ihren Zeichenblock. Aber wir anderen konnten gar nicht mehr aufhören zu lachen. Mir taten schon die Rippen weh, Milky schlug sich auf die Schenkel und Elfe liefen die Tränen runter. Am lautesten lachte Alpha, der Junge mit den weißblonden Haaren.
    Als wir uns wieder beruhigten, hatte sich die Spannung im Raum deutlich gelöst. Pearl fegte die Scherben der zerbrochenen Flasche weg, während Mephisto mit seiner langen rosa Zunge die Milch vom Boden schleckte. Der Tonfall, mit dem sich Milky jetzt noch einmal erkundigte, ob jemand Hunger hätte, war offen und entspannt. Als Mephisto Tante Käthe ankläffte, gackerten wieder alle los.
    Ich hatte keinen Hunger. Plötzlich merkte ich, wie müde ich war. Ich war seit über zwanzig Stunden wach, und obwohl mir davor graute, die nackte Darling in unserem Schlafsaal vorzufinden, zog ich mich zurück, als sich die anderen um den Tisch versammelten.
    Als ich ein leeres Zimmer vorfand, atmete ich erleichtert auf. Die Fenster waren geöffnet. Von draußen zog ein kühler Wind ins Zimmer und bauschte die Vorhänge auf. Neben meinem Bett war ein kleiner Nachttisch, auf den ich meine Inseldinge stellte. Ich lehnte Esperanças Foto an die Kerze, das Feuerzeug, es war ein Windfeuerzeug, legte ich daneben.
    Ich zog mich unter der Bettdecke aus, hüllte, so gut es ging, den hauchdünnen Baldachin um mein Bett und versuchte, das wieder aufsteigende Bewusstsein um die versteckten Kameras in den hintersten Winkel meines Gehirns zu drängen. Die Müdigkeit half mir dabei. Sie legte sich über mich wie eine schwere Decke. Ich rollte mich zusammen und lauschte in die Dunkelheit.
    Es roch nach einer fremden Nacht. Draußen zirpten die Zikaden, und als sie verstummten, hörte ich in der Ferne das Rauschen des Meeres. Ich dachte an die anderen, die jetzt im Haupthaus zusammensaßen, und daran, dass Solo nicht gekommen war. Über diesen Gedanken schlief ich ein.
    Nachts sah ich ihn.
    Ich weiß nicht, was mich geweckt hatte, Elfes leises Schnarchen, das helle Sirren der Moskitos über meinem Kopf oder das Wispern der Blätter hinter meinem Fenster. Ich wickelte mein weißes Bettlaken um meinen Körper und schlich nach draußen. Der Himmel war übersät von Sternen. Millionen von Lichtpunkten funkelten über meinem Kopf, sie

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