Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Isola - Roman

Isola - Roman

Titel: Isola - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
Vom Netzwerk:
schriller Schrei, und ich zog rasch meinen Kopf zurück.
    Auch Alpha sah nach draußen, dann gingen wir weiter. Nach einer scharfen Linksbiegung brach der Gang plötzlich jäh vor uns ab.
    »Vorsicht!« Solo zog mich zurück. Ich konnte den grauen Himmel sehen, direkt vor uns. Hier öffnete sich der Felsen zu einem riesigen Oval, wie das Ende eines Tunnels, vom Umfang her mannshoch und bestimmt zwei Meter breit. Der Wind, der uns entgegenblies, war hier noch stärker und das Rauschen unter uns erschien mir noch lauter. Ich hörte, wie die Wellen ans Ufer krachten, gewaltsam tosend und brausend, als wollten sie die Klippen zum Einstürzen bringen, und hinein mischte sich Mephistos Bellen. Solo zog mich mit sich nach unten. Auf Knien krochen wir vorwärts, bis wir uns vor dem Abgrund platt auf den Bauch legten. Spitze Steine bohrten sich in meine Brust und der Felsen unter meinen Händen war kalt und rau. Alpha robbte neben mich, während Milky und Elfe mit Mephisto hinter uns blieben.
    Auf dem offenen Meer hatten Wasser und Himmel dieselbe Farbe angenommen, ein düsteres, bizarres Grau, in dem kein Horizont mehr zu erkennen war. In der Ferne sah ich die Nachbarinsel mit dem dunklen Turm, dessen Spitze jetzt fast auf unserer Höhe war. Und noch immer brannte Licht, ein schwachgelbes, kreisrundes Auge.
    »Da«, rief Alpha plötzlich neben mir. »Da unten muss noch eine Bucht sein, seht ihr? Direkt unter uns.« Er streckte den Finger in die Tiefe und mir wurde schwindelig, als ich in die schäumende Gischt sah. Das tosende Meer erschien mir wie etwas Lebendiges, als würde sich unter seiner Oberfläche eine gigantische Urzeitgestalt aufbäumen. Alpha rief etwas, doch ich konnte ihn nicht verstehen, so laut wütete der Sturm. Erst als mein Blick Alphas ausgestrecktem Finger folgte, sah ich, was er meinte. Genau unter uns brachen sich die Wellen nicht an den Felsen, sondern die Gischt verschwand, als würde sie aufgesogen –von einem Tunnel oder einer Höhle tief im Fels. Die Wellen rollten abermals heran, mit noch größerer Wucht als zuvor. Das Wasser spritzte zu uns hoch, drei, vier Meter. Doch dann zogen sich die Wellen zurück, diesmal ein wenig länger, als wollten sie innehalten, um neuen Atem zu schöpfen.
    In diesem Augenblick erkannte ich das Boot. An seinem Bug war ein langes Tau, mit dem es offensichtlich irgendwo befestigt war. Neben mir gellte Solos Schrei. Er war so durchdringend, dass mir das Blut in den Adern gefror.
    Und dann sah ich Joker. Er lag direkt vor dem Boot, mit dem Gesicht im Wasser, als hätte das Meer ihn zurück an Land gespült. Noch immer trug er seinen schwarzen Mantel, die Arme waren weit ausgebreitet wie die Schwingen einer Fledermaus. Aber tanzen konnte er nicht mehr.
    Es gab kaum einen Zweifel.
    Joker war tot.

Siebzehn
    E r schloss die Tür hinter sich und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Er kniff die Augen zusammen, die mittlerweile brannten, als hätte er eine Bindehautentzündung. Sein Kopf hämmerte und das Adrenalin hörte nicht auf, durch seine Adern zu jagen. Wie Stromschläge fühlten sich die Schübe an. Wie konnte das passieren? Es war geradezu absurd! Er drehte sich um und schlug mit der Faust gegen die Wand, bis ihm die Haut auf den Knöcheln aufplatzte. Dann holte er Luft. Ganz tief.
    Einatmen, ausatmen.
    Er leckte das Blut ab. Wie süß es schmeckte. Er musste sich zusammenreißen. Er musste ruhig bleiben. Alles hing jetzt an ihm, alles. Und gleichzeitig hatte er keine Wahl. Er konnte hier nicht weg. Er musste warten. Warten, was passierte. Und dementsprechend musste er handeln. Die Strategie ändern. Improvisieren. Darin war er doch ein Meister oder nicht? Sein Spiel hatte funktioniert. Es war nur etwas aus dem Ruder gelaufen, und dass es ausgerechnet Joker war, der ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte …
    Er rang nach Luft. Er hatte das nicht gewollt, er durfte sich keine Vorwürfe machen, nicht jetzt! Was passiert war, konnte er nicht rückgängig machen, aber er konnte das Ruder noch herumreißen. Und das würde er tun.
    Ja, das würde er tun. Er würde nicht aufgeben, nicht nach all der Arbeit, die ihn diese verdammte Inselsache gekostet hatte. Er musste nur den richtigen Zeitpunkt abpassen. Und der würde kommen. Er öffnete die Tür und ging mit entschlossenen Schritten nach nebenan.
    »WIR KÖNNEN ihn doch nicht einfach dort liegen lassen. Was, wenn er noch lebt?«
    Wie oft hatte Elfe diese Sätze jetzt schon gesagt? Einmal? Zweimal?

Weitere Kostenlose Bücher