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Isola - Roman

Isola - Roman

Titel: Isola - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arena
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reißen.
    Wir saßen an der Felsküste vor dem Höhleneingang, mit Blick auf die Nachbarinsel, wo jetzt wieder Tempelhoffs Domizil zu erkennen war; der dunkle Turm, der wie ein erhobener Zeigefinger zum Himmel zeigte. Am Horizont fiel Regen aus einem wolkenverhangenen Himmel, in schrägen, symmetrisch angeordneten Fäden – es sah fast aus wie eine gläserne Wand. Noch immer strahlte der Turm ein helles Licht aus, das einzige Zeichen, dass dort menschliches Leben war. Aber mehr konnte man nicht erkennen.
    Es war mittlerweile später Nachmittag und wir hatten die ganze Insel abgesucht. Die westliche, nicht weit von unserer Unterkunft entfernte Seite war schroff und wild. Die hohen Felsen fielen senkrecht ins Meer hinab, während auf der östlichen Inselseite die Mangrovenküste nahtlos ins Meer überging. Dicht an dicht erhoben sich die urzeitlichen Baumgewächse aus dem Wasser und bildeten ein Gewirr von Wurzeln, Ästen und Schlingpflanzen.
    Auch den Wald hatten wir durchkämmt, in alle Richtungen, und hatten uns nach Joker und Darling die Kehle heiser gebrüllt, ohne eine Antwort zu erhalten. Wir waren in der Kapelle gewesen, auf dem kleinen Friedhof dahinter und noch einmal in unserer Unterkunft – im Haupthaus, in beiden Schlafräumen, in den Duschen, Toiletten und Umkleidekabinen. Aber Joker und Darling waren wie vom Erdboden verschluckt. Das Nebelhorn war nicht ertönt und wir hatten uns in eine immer stärkere Hysterie gesteigert.
    Das Wetter tat sein Übriges.
    Der Wind war stetig stärker geworden und die gegen die Felsen schlagende Brandung war jetzt so hoch, dass ein Boot keine Chance in den Wellen gehabt hätte. Es war kalt geworden. Mein dünnes T-Shirt, das ich mir vor dem Aufbruch wahllos aus meiner Kiste gegriffen hatte, war völlig durchnässt und die Härchen an meinen Armen hatten sich aufgestellt. Aber das innere Zittern wurde noch stärker, als ich auf den cremefarbenen Stofffetzen sah, den Alpha jetzt entschlossen in seine Hosentasche steckte.
    »Das mit dem zerrissenen Kleid kann doch alles Mögliche bedeuten«, sagte er, ohne auch nur eine Spur zuversichtlich zu klingen. »Darling hat sich verfangen, irgendwo, das kann doch sein. Solo und ich sahen auch nicht grad sauber aus, als wir aus der Höhle gekommen sind.«
    »Genau«, murmelte Milky mit einem Blick auf Solo, der sich ebenfalls ein sauberes T-Shirt angezogen hatte, aber immer noch seine zerfetzte Jeans trug. »Sie hat sich irgendwo das Kleid aufgerissen, als sie nach dem Ausgang oder nach einem Licht gesucht hat. Alpha hat recht, Leute. Das muss überhaupt nichts heißen.«
    Solo fuhr mit den Fingern über die Drahtsaite seiner Berimbau, was einen leisen, metallischen Ton hervorbrachte, fast wie ein Klagelaut. Dabei nickte er, ganz leicht und immer wieder, aber der Ausdruck seines Gesichtes ließ das Nicken wie ein Kopfschütteln wirken. Elfe hatte schon wieder zu schluchzen begonnen. Ihre Augen waren nur noch Schlitze, unter denen dicke Tränensäcke lagen, und ihren schwarzen Lippenstift trug sie längst nicht mehr. Ihre Lippen waren blass, fast farblos im Vergleich zu ihrer geröteten Haut. Mephisto lag neben ihr und leckte ihr über die Hand, wobei er leise, fiepende Geräusche von sich gab. Elfe schien es nicht einmal zu bemerken. Ihre Haare hingen ihr in nassen lila Strähnen um den Kopf und sie zitterte am ganzen Körper.
    »Und das Blut?«, schrie sie. »Verdammt noch mal, das war eine regelrechte Lache von Blut, die da am Boden war! Und selbst wenn sich Darling irgendwo verfangen haben sollte, warum taucht sie dann nicht auf? Wo steckt sie? Wo steckt Joker? Hat der sich auch … verfangen?« Elfe war aufgesprungen, plötzlich kam sie mir massig und schwer vor. »Ich halt das nicht mehr aus, das ist doch alles kein Spaß mehr! Ich verkrafte das nicht! Hier stimmt etwas nicht, verdammt, und wenn das wieder einer von Jokers blöden Witzen sein soll, dann ohne mich, ich WILL –HIER – WEG!«
    Sie schrie ihre Worte in den Wind und Milky packte sie an den Schultern, schüttelte sie, aber das machte es nur noch schlimmer. Dann sprang auch Alpha auf und schlug Elfe ins Gesicht. »Hör auf!«, fuhr er sie mit kalter Stimme an. »Halt die Klappe, du machst uns ja noch alle verrückt!«
    Elfe hielt sich die Wange und starrte Alpha an, als wäre er ein Monster. Das Blut, dachte ich und schielte zu Alpha. Auch er hatte sich umgezogen, bevor wir am Morgen aufgebrochen waren. Aber an das Blut auf seinem T-Shirt erinnerte ich mich noch

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