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Isolation

Isolation

Titel: Isolation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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politischen Mächte auf der Welt schlagartig sehr scharf darauf waren, genug abzubekommen, sollte erst einmal genügen. Das war praktisch gleichbedeutend damit, mehr zu bekommen als die anderen. China war offenbar die gierigste Nation und besetzte bei erstbester Gelegenheit Russland. Sobald das geschafft war, richteten die Chinesen den Blick auf uns.«
    Heron betrachtete die Karte. »Wo sind wir?«
    »Hier.« Latimer trat vor und deutete auf die westliche Hemisphäre. »Amerikas und Kanadas Ölreserven lagen hier oben im Norden. Dort gab es auch viele andere Bodenschätze in unangenehmer Nähe zu China und dessen neu erworbenen russischen Gebieten. Deshalb war die Landnahme fast unvermeidlich. Wir mögen es aber nicht, wenn Fremde sich etwas schnappen, das uns gehört.«
    Die Karte trug eine schwach leuchtende Beschriftung. Die Region, die er meinte, hieß Nordamerika . Sie betrachtete ihre Uniform und das Abzeichen auf der linken Brusttasche: NADI . »Ist das die Bedeutung der Abkürzung? Nordamerikanisches Defensiv…«
    »Nordamerikanische Defensivinitiative«, ergänzte Latimer. »Die NADI ist ein Militärbündnis, das gebildet wurde, um die Chinesen draußen zu halten.«
    »Demnach verteidigen wir uns gegen eine Invasion?«
    »Genauer gesagt, ist China in der Defensive. Die Abschreckung durch die NADI funktioniert so gut, dass China lieber wie eine Schildkröte den Kopf einzieht, alles festhält, was es besitzt, und einfach abwartet. Da die Chinesen bereits einen großen Teil Russlands und Südostasiens beherrschen, hatten sie Zugriff auf einen unverhältnismäßig großen Teil der weltweiten Ressourcen. Deshalb wollten sie nichts davon verschwenden, um sich auch noch uns einzuverleiben. Sie stellten den Außenhandel und alle internationalen Beziehungen vollständig ein. Sie kaufen nicht mehr bei uns ein, und was noch wichtiger ist – sie verkaufen ihre Produkte nicht an uns.«
    »Der Isolationskrieg.« Allmählich fügten sich die Einzelheiten zu einem Bild zusammen. »Sie wollen sich isolieren, aber wir können nicht überleben, wenn sie dabei bleiben.«
    »Wie ich schon sagte«, erklärte Latimer, »Sie besitzen eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe. Wir wollen zum Botschaftspersonal zurückkehren.« Er winkte, und die Karte löste sich auf. Der Raum voller Chinesen tauchte wieder auf. Ein weiteres Winken, und die Bilder setzten sich in Bewegung. Die Menschen liefen hin und her, verschwanden an den Rändern des Ausschnitts und tauchten wieder auf, redeten, lächelten und schüttelten einander die Hände. Sie sprachen Chinesisch, und zu ihrer Freude stellte Heron fest, dass sie die Gespräche mühelos verfolgen konnte: Small Talk, gelegentlich eine Schmeichelei, wie sie es im Unterricht gelernt hatte. Es war gut zu wissen, dass die scheinbar nutzlosen Phrasen, die sie in den letzten Monaten eingeübt hatten, eine Verwendung fanden.
    »Der kleine Mann, den Sie als Anführer erkannt haben, ist General Wu Po Shu. Behalten Sie ihn genau im Auge, denn er ist Ihr Ziel.«
    Heron dachte an die Ausbildung, die sie absolviert hatte: heimlich vorgehen, infiltrieren, angreifen. »Soll ich ihn töten?«
    »Vorerst noch nicht«, erwiderte Latimer. »Früher oder später wird es natürlich dazu kommen. Sagen Sie, Heron, wissen Sie, was der Begriff Spionage bedeutet?«
    »Miss Spinney meint, es gehe darum, Informationen zu gewinnen. Bisher haben Sie mir aber nur beigebracht, mich irgendwo einzuschleichen und wieder zu verschwinden. Also geht es wohl um Informationen, die Sie eigentlich nicht haben dürfen.«
    Latimer lachte. »Wir sind die amerikanische Regierung. Es gibt hier keine Informationen, die wir nicht haben dürfen. Es geht eher darum, Informationen von Menschen zu sammeln, die sie Ihnen nicht geben wollen. In Ihrem Fall wäre das General Wu.«
    »Also schleiche ich mich hinein und stehle seinen Computer oder sein Telefon«, sagte Heron.
    »Wenn alles gut verläuft, gibt er Ihnen sogar seinen Computer und bittet Sie, gut auf seine Geheimnisse aufzupassen. Ihre Mission dreht sich nicht darum, kurz zuzuschlagen und sofort wieder zu verschwinden. Vielmehr ist die Aktion langfristig angelegt. Die Ähnlichkeiten zwischen Ihnen und Wus Begleitern sind Ihnen doch sicherlich aufgefallen.«
    Heron nickte. »Ich sehe chinesisch aus. Alle Spionagemodelle sehen chinesisch aus. Außerdem sind wir die Einzigen, die diese Sprache beherrschen.«
    »Nicht die Einzigen, aber ja, ungefähr darauf läuft es hinaus.«
    Je länger sie

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