Issilliba - Aaniya, das Mädchen, das mit den Fliegen sprechen konnte (German Edition)
keine Ahnung, wohin der von ihnen so sehnlich gesuchte Stein gebracht worden war.
„Ich muss fort, Aaniya. Ich hoffe, du verstehst mich“, bat Sindi. „Ich wünsche euch beiden, dass ihr bald wieder frei kommt.“
Aaniya hörte ein Brummen, das an ihrem Ohr vorbeischoss, dann war Exenias toller Gesandter verschwunden.
Aaniya fühlte sich elend. Würden sie wirklich irgendwann wieder frei kommen? Ihr letztes Fünkchen Hoffnung lag nun auf einem Vater, der jegliche Erinnerung verloren hatte. Aber würde sie ihn überhaupt zu Gesicht bekommen?
Zu Aaniyas körperlicher Erleichterung machten die sechs Groglas nun endlich Rast. Wie wundervoll war es, im Schatten eines Baumes lang ausgestreckt auf dem Boden zu liegen und ohne Druck auf den Brustkorb atmen zu können. Ihr Kopfweh wurde leichter. Nur noch die gebundenen Hände und Füße brannten gewaltig. Sie blickte hinüber zu Goran, den die Riesen diesmal nicht neben sie gelegt hatten. Er sah mitgenommen aus.
Nach zwei Stunden brachen die Groglas wieder auf und die quälende Reise begann von Neuem. Zunächst ging es wieder kopfüber vorbei an Feldern mit wimmernden Niwis und vorbei an grauenhaft überbevölkerten Stallungen. Dann wurde das Land bergig. Lange Zeit führte der ziemlich steil ansteigende Weg nun durch einen lichten Laubwald, erst am späten Nachmittag ging es wieder abwärts. Es war schon Abend, als sie aus dem Bergwald heraus traten. Am Horizont konnte Aaniya die ersten grauen Steinhäuser von Ruguro erkennen. Näher und näher kamen sie der Riesenstadt und Merzorus Palast, der im Süden auf einem mächtigen Felsplateau über der Stadt thronte. Als die Sonne nur noch handbreit über dem Horizont stand, erstrahlte die hoch aufragende Turmanlage über dem grauen Häusermeer plötzlich in goldenem Orange.
Aaniya musterte Korgalisar.
Türme über Türme waren obe rhalb Ruguros einer an den anderen gebaut worden, oftmals verbunden durch einen kurzen, riesenhohen Mauerabschnitt. An der Spitze des höchsten Turmes funkelte und blitze etwas in tiefstem Rot.
Jetzt hatten sie die Stadt erreicht und die nächste halbe Stunde wurden Aaniya und Goran durch ein Gewirr an Straßen und Gassen getragen. Alles war ziemlich einfarbig: die Häuser, die Pflastersteine, die Marktplätze. Alles grau. Und alles war eng. Noch dazu kam, dass die Dinge wie Fenster, Türen, Fuhrwerke, Fässer und Säcke viel, viel größer waren, als Aaniya und Goran es aus ihrer Heimat kannten.
Irgendwann hatten sie zum Glück das südliche Ende der Stadt erreicht. Nug und die anderen fünf Groglas schritten nun über eine breite, ausgetretene Straße, an der rechts und links dorniges Gestrüpp wucherte. Es ging hinauf zu Merzorus Palast.
Noch bevor die Sonne völlig untergegangen war, traten die Groglas mit Aaniya und Goran auf ihren Rücken vor das riesige Eingangstor. Es war aus purem Eisen. Als es geöffnet wurde, erkannte Aaniya, dass es fast so dick war wie die gesamte Körperlänge eines Niwis.
Mit lautem Dröhnen fiel das Tor wieder zu.
Nun schleppten die Groglas Aaniya und Goran über einen weiten, gepflasterten Innenhof. Aaniya ließ ihren Blick umherschweifen und betrachtete verkehrt herum die hohen Türme, die auf allen Seiten der Festung hoch in den Himmel ragten. Soeben verschwanden die letzten orangeroten Sonnenstrahlen hinter der hohen Wehrmauer.
Die Groglas traten zu einem großen Holztor in der Mitte des östlichen Palastabschnittes. Dort verwehrten ihnen zwei Wachtposten mit spitzen, silberig glänzenden Lanzen den Zutritt. Doch als Nug mit ihnen ein paar grunzende Worte gewechselt hatte, ließen die Wächter sie passieren. Zunächst ging es einen breiten, düsteren Gang entlang. An den Wänden steckten in großen Abständen brennende Fackeln in schwarzen Eisenhalterungen. Nach einer Weile trugen die Groglas Aaniya und Goran eine Treppe hinab und wieder einen düsteren Gang entlang, der viel schmaler war als ein Stockwerk höher. Bald standen sie vor einer einfachen Brettertür. Nug stieß sie mit dem Fuß auf. Mit Aaniya über der Schulter trat er ein. Hinter ihm folgten die anderen fünf Riesen mit Goran. Soviel Aaniya im Schein einer einsamen Fackel an der Wand erkennen konnte, befanden sie sich in einem kalten, felsigen Raum mit gewölbter Decke. Es gab einen langen Tisch und mehrere grob gezimmerte Bänke. Hinten in einer Ecke schien etwas Stroh auf dem Boden zu liegen. Grob wurden Aaniya und Goran nun auf ihre tauben Füße abgesetzt. Doch sie konnten nicht
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