Issilliba - Aaniya, das Mädchen, das mit den Fliegen sprechen konnte (German Edition)
selbst stehen und stürzten auf den nackten Steinboden. Mühsam rappelten sie sich wieder auf.
Die Grog las lachten. Sie nahmen ihnen alles ab, was sie besaßen: die Rucksäcke, Gorans Messer und Aaniyas Armspange. Nur die Kleider durften sie behalten.
Dann drückte ihnen Nug zwei riesige Bürsten in die Hände, mit denen sie sich gegenseitig die Haare kämen sollten. Auf wankenden Beinen stehend folgten Aaniya und Goran zögerlich der Aufforderung.
„ So ist es gut. Merzoru möchte saubere Diener“, erklangen die Worte eines ziemlich kleinen Groglas, der soeben in der Tür erschien. Aaniya konnte nur die Umrisse seiner Gestalt erkennen, denn der tanzende Schein der einen Fackel drang nicht zu ihm hinüber.
Als der seltsame Grogla näher kam und in den flackernden Lichtkreis trat, wäre Aaniyas Herz beinahe stehen geblieben. In einem hellen Hemd und einer dunklen Hose, genau wie sie selbst, stand dort Kori, ihr geliebter Vater. Er sah noch fast genauso aus, wie Aaniya ihn in Erinnerung hatte. Nur wohnten in seinem kurzbärtigen Gesicht vielleicht ein paar mehr Furchen, und die große Narbe an der Stirn unter den dunkelblonden Haarspitzen war neu.
Goran warf Aaniya gerade noch rechtzeitig einen mahnenden Blick zu, und so verließ kein Laut ihre zitternden Lippen.
„ Honan, das sind Landsleute von dir. Was sagst du dazu?“, grunzte der Grogla mit den spitzen Ohren.
„ Nun, das sehe ich“, entgegnete Honan ohne erkennbare Gemütsregung. Erschrocken fuhr Aaniya zusammen. Die Stimme ihres Vaters war ganz anders als früher - nicht tief und warm, sondern flach und leblos.
Kori, der hier Diener Honan genannt wurde, trat näher heran. „Wie seid ihr denn auf die gestoßen?“, fragte er kühl.
„Sie haben sich dr üben am See in unserer Hütte ein gemütliches Plätzchen gesucht“, lachte Nug laut. „Dümmer geht es nicht.“
Honan schritt nun um Aaniya und Goran herum und begutachtete die beiden mit scharfen Augen.
Er erkennt mich nicht, er erkennt mich einfach nicht, dachte Aaniya und hätte laut aufheulen können vor Verzweiflung. Emma hatte recht gehabt.
Honan verschwand kurz in einer der dunklen Ecken, dann trat er mit zwei Eisenketten in der Hand wieder vor Aaniya und Goran. „Damit ihr nicht auf falsche Gedanken kommt“, sagte er, während er sich bückte und ihnen die Fußfesseln anlegte. „Aber selbst ohne die Ketten würdet ihr von hier niemals verschwinden können.“
Als er fertig war, richtete er sich wieder auf. Dabei blickte ihm Aaniya kurz in die trüben, braunen Augen, und all ihre Hoffnung brach in sich zusammen, wie ein Kartenhaus.
„Bring ihnen Manieren bei, verstanden, Honan. Die beiden sehen widerspenstig aus“, meinte jetzt der spitzohrige Grogla mit harter Stimme, bevor er hinter Nug und den anderen vier Riesen den Raum verließ.
Kaum waren die Groglas verschwunden, da wuselte n über zehn Niwis in den gewölbeartigen Raum herein. Sie alle trugen knielange, ärmellose Tuniken in verblichenem Weiß und sie alle trugen klirrende Eisenketten an den Füßen.
„Das sind meine Untergebenen“, sagte Honan mit einem verächtlichen Wink hinüber zu den Zwergmenschen, die sich schweigend auf dem Stroh niederließen. „Ihr gehört jetzt auch dazu und ihr werdet mir keine Schande machen, ist das klar? Ich bin Merzorus Lieblingsdiener und meine Anweisungen sind Gesetz.“
Fassungslos wand Aaniya ihren Blick von Honan ab und suchte Gorans Augen. Er war beinahe so entsetzt wie sie selbst. Das sollte ihr Vater sein? Ihr lustiger, herzensguter Vater?
„Schaut nicht so dumm und schert euch zu den anderen in die Ecke“, befahl Honan grob.
Aaniya war wie erstarrt, doch Goran nahm sie am Arm und zog sie hinüber zu den Niwis. Wie in Trance hörte sie, dass Honan das karge Kellergewölbe verließ und von außen die Tür verriegelte.
Als Goran für sie beide ein Plätzchen zwischen den Niwis ausgemacht hatte, fand Aaniya ihre Sprache wieder.
„Meinst du, Kori wird sich irgendwann daran erinnern, wer er ist?“, fragte sie leise, während sie sich neben Goran auf das Stroh legte.
„Ich weiß es nicht Aaniya, sein Gedächtnisschwund hält schon so lange an“, entgegnete Goran entmutigt.
Aaniya blickte in die vielen verdutzten Gesichter um sich herum. Welch trübe Augen, dachte sie traurig, genau wie bei meinem Vater.
Als die Niwis begannen , sie und Goran auszufragen, erzählten sie ihnen nichts von Exenia, Tedolin oder Grom. Doch die Neugier der winzigen Menschen war bald
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