Issilliba - Aaniya, das Mädchen, das mit den Fliegen sprechen konnte (German Edition)
begriff geistesgegenwärtig, dass sie ihren Vater schleunigst von hier fortbringen musste.
„Honan geht es nicht gut, Eure Majestät“, sagte sie mit unterwürfiger Stimme und musste sich sehr zusammenreißen, dass niemand die grenzenlose Freude bemerkte, die soeben wild durch ihre Adern rauschte. Eilig packte sie ihren Vater am Arm und schob ihn vor sich her aus der Halle. Goran, der dicht hinter ihr an den langen Tischen mit den vielen Riesen vorbei marschierte, sah so aus, als ob er gar nichts mitbekommen hätte. Draußen außer Hörweite der Wächter, die in regelmäßigen Abständen in den Gängen patroulierten, blieb Aaniya stehen und blickte ihren Vater flehend an. „Vater, ich weiß, dass du mich erkannt hast. Aber bitte, lass uns dieses Fest noch unsere Rollen spielen. Du musst dich zusammennehmen. Versprich es mir.“
„Aaniya, mein Mädchen, wie kommst du hierher? “, schluchzte Kori, während er ihr zärtlich über das Haar fuhr. „Es tut mir alles so leid.“
Aaniya wäre ihrem Vater am liebsten um den Hals gefallen, aber sie wusste, dass dies jetzt nicht möglich war.
„Ich erkläre dir alles nach dem Fest“, sagte sie mit bebender Stimme. „Es ist wichtig, dass niemand erfährt, dass wir zusammengehören. Nur so können wir hoffen, diesen Ort bald als freie Menschen zu verlassen. Komm, Goran, wir müssen die Speisen und Getränke auftischen.“ Mit diesen Worten wandte sie sich schweren Herzens von ihrem Vater ab und winkte Goran, ihr zu folgen. Der stand da und starrte sie und Kori mit offenem Mund an. Dann aber fasste er sich und ohne irgendwelche Fragen zu stellen, eilte er, so schnell es ihm mit den Fußketten gelang, hinter Aaniya her in die Küche. Als sie die ersten riesigen Krüge für Merzoru und Zirome hinüber in die Festhalle trugen, erklärte ihm Aaniya, was passiert war.
Zum Glück hatte Kori schnell se inen Schock überwunden. Wie vorher schon von ihm geplant, tauchte er nach kurzer Zeit zusammen mit seinen Niwis in der Küche auf, um Aaniya und Goran zu unterstützen. Mit strenger Miene gab er darauf acht, dass alle Arbeiten zu seiner Zufriedenheit erledigt wurden.
Wi e schwer fiel es Aaniya, den ganzen langen Abend hinweg kein Wort mehr mit ihm zu wechseln. Wie schwer war es, jetzt noch so zu tun, als ob sie Fremde wären. Doch Aaniya und auch Goran wussten, wie viel davon abhing, dass sie dieses Fest gut hinter sich brachten. Mit besonderem Eifer trugen sie stundenlang viele köstlich beladene silberne Platten von der Küche in die Festhalle hinüber und stellte sie mit tiefen Verbeugungen auf Merzorus Tisch ab.
Endlich, endlich war es so weit. Das Mahl war beendet und Aaniya, Goran und die Niwis durften zu Bett gehen. Kori brachte sie alle hinab in das feuchtkalte Kellergeschoß und schloss sie wie gewöhnlich in den gewölbeartigen Raum ein. Die Niwis ließen sich erschöpft auf das Stroh fallen und schliefen sofort ein, doch Aaniya und Goran blieben wach. Sie hofften, dass Kori zurückkommen würde. Und tatsächlich. Noch war die Fackel an der Wand nicht völlig heruntergebrannt, da hörte Aaniya, wie jemand ganz leise das Schloss der Tür aufsperrte. Einen Moment später trat Kori zu ihnen herein.
Aaniya sprang vom Stroh auf und fiel ihrem Vater um den Hals.
„Aaniya, mein Mädchen, wie kommst du hierher?“, fragte er nach einer langen Umarmung und wischte sich die Freudentränen aus den Augenwinkeln. Seine Stimme war wieder die alte.
„Das ist eine komplizierte Geschichte, Vater“, sagte Aaniya tief gerührt. „Wir sind hier, um dich nach Hause zu bringen. Als du vorhin meine Armspange an Ziromes Handgelenk entdeckt hast, wurde dir deine Vergangenheit bewusst, stimmt’s?“
„Ja. Ich sah das Schmuckstück und irgendetwas in meinem Innern ist an seinen richtigen Platz gefallen. Ich wusste, dass ich die Spange geschmiedet hatte, zu einer anderen Zeit, in einem anderen Land. Dann sah ich dich, dein Gesicht, und alles war mi r klar. Ich kannte meinen wahren Namen und ich kannte meine gesamte Vergangenheit. Der schwere Sturz während meiner letzten Tour in den Sigral-Bergen tauchte in meiner Erinnerung auf, deine Mutter und deine Geschwister.“
„Mu tter hat noch ein Baby bekommen“, sagte Aaniya und nahm Koris Hand in die ihre. „Ein halbes Jahr nach deinem Verschwinden.“
„Wirklich? “ fragte Kori mit leicht bebender Stimme. „Das muss sehr schwer für Freya gewesen sein. Wie heißt mein Kind? Ist es ein Junge oder ein Mädchen?“
„Es ist
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