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Ist Schon in Ordnung

Ist Schon in Ordnung

Titel: Ist Schon in Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
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einen stechenden Schmerz. Ich hätte tot sein können, denke ich, friere am Rücken, ich bin wie benommen, ganz steif, der Gedanke verhakt sich, und ich komme nicht weiter. Ich muss mich zwingen, eine Hand ans Ohr zu führen, doch bevor sie oben ist, sehe ich Blut spritzen. Ich renne los, stürze mich auf den roten Stoppschalter, der allzu weit von meinem Platz am Band entfernt ist, drücke ihn hinein, und es klingt wie ein Flugzeugabsturz, als die Maschine abrupt stehenbleibt. Plötzlich bin ich sicher, dass der Elch betrunkenist, dass er nach Schnaps roch, als ich den Fleck gemeldet habe.
    »Das kriegen wir hin«, hatte der Elch mit schiefem Grinsen gesagt, und es ist das erste Mal überhaupt, dass ich ihn lächeln sah. Jetzt steht der große Elch da, blutet heftig aus der Hand und schreit:
    » MEINE FINGER VERDAMMT WO SIND MEINE FINGER ?«
    An seiner linken Hand fehlen drei Finger. Goliath kommt angerannt, versucht den Elch zu beruhigen, er hat einen Lappen dabei, den er um die verletzte Hand wickeln will. Er schluckt sichtbar und hält den Elch an der Schulter fest, aber der Elch, der fast genauso groß ist und stärker, reißt sich los und beginnt, im Kreis zu laufen.
    » VERDAMMT VERDAMMT WO SIND MEINE FINGER? «
    Von überall kommen Leute angerannt und scharen sich um Werk A, und wir schauen uns auf der Suche nach den Fingern verwirrt um, aber keiner kann sie sehen, und ich denke bei mir, dass ich sie lieber auch nicht sehen will.
    Goliath versucht es noch einmal, versucht den Blick einzufangen von dem Mann mit dem breiten Gesicht, das jetzt dieselbe Farbe hat wie seine Haare, und die Hand blutet und blutet.
    »He, Kjartan … Kjartan.« Ausnahmsweise einmal spricht Goliath ruhig. »He, Kjartan, ganz ruhig. Komm jetzt, wir fahren ins Krankenhaus. Ich fahre dich, komm schon, Kjartan!«
    Der Elch sieht Goliath mit merkwürdig abwesendem Blick an, dann schreit er:
    » ABER KAPIERT IHR DENN NICHT ICH MUSS DIE FINGER FINDEN DAMIT SIE SIE WIEDER ANNÄHEN !«
    Aber wir finden die Finger nicht, und Goliath zwingt den Elch, mit ihm zu gehen. Er hat jetzt so viel Blut verloren, dass seine Knie nachgeben und er nicht mehr so groß wirkt. Auf dem Weg zur Tür begegnen sie dem Werkmeister, der sich verwirrt umdreht. Goliath würdigt ihn keines Blickes, und der Werkmeister fragt mich, weil ich am nächsten stehe:
    »Was ist denn hier passiert?«
    »Kjartan wurden drei Finger abgerissen.«
    »O Gott!« Der Werkmeister sieht das ganze Blut und sagt noch einmal: »O Gott!« Dann starrt er mich an.
    »Und was ist mit dir? Du blutest ja am Ohr.« Ich berühre mein Ohr und habe Blut an den Fingern.
    »Der Spachtel«, sage ich.
    »Der Spachtel …?« Langsam dämmert ihm was. »Wo hast du denn gestanden?«
    »Am Band.« Alle sehen zum Band. An der Wand hinter der halbgefüllten Palette steckt der Spachtel vom Elch bestimmt einige Zentimeter tief im Putz und sieht nicht mehr sehr sauber aus.
    »O Gott«, sagt der Werkmeister, »der hätte dir den Schädel spalten können!« Er fährt sich mit der Hand durch die wenigen Haare, die er noch hat, geht nervös rauchend aus der Rotationshalle hinauf in sein Büro, wo er die meiste Zeit des Tages sitzt und Pornohefte liest.
    Wir waschen das Blut ab, entfernen das zerfetzte Gummituch, spannen ein neues um den zerkratzten Zylinder und können nach Hause gehen.
    In der Garderobe sagt der stets muntere Trond:
    »Jetzt bin ich jedenfalls nicht mehr der Einzige mit einem Loch im Ohr.«
     
    Am nächsten Tag ruft Trond nach mir. Er steht hinter der Presse und macht sauber. Wir sind fertig mit der Auflage und putzen alles, bevor wir mit einer neuen beginnen.
    »Sieh mal dort«, sagt er.
    Im Feuchtwasserbehälter schwimmen die drei Finger vom Elch. Sie sind aufgequollen und sehen aus wie große Schnecken. Ich kotze direkt in den Behälter. Der Werkmeister, der durch die Halle läuft und alles inspiziert, hat sich seit gestern bestens erholt und sagt:
    »Das machst du selber sauber, Sletten!« Und ich muss den Feuchtwasserbehälter putzen, mein eigenes Erbrochenes entfernen und auch die Finger vom Elch.
    »Das will ich nicht sehen«, sagt Trond und haut ab. Ich weiß nicht recht, was ich mit den Fingern machen soll. Schließlich wickle ich sie in Makulaturpapier und werfe sie in den Abfalleimer. Als ich damit fertig bin, gehe ich aufs Klo und übergebe mich noch einmal.
     
    Es ist dunkel, als ich von der Spätschicht nach Hause gehe. In dieser Gegend wohnt kein Mensch, an der Straße zur U-Bahn

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