Ist Unsere Liebe Noch Zu Retten
nämlich, dass gerade diese Menschen mit den eingesperrten Gefühlen in ihrem Wesen oft sehr emotional sind. Wenn du also deine Gefühle aus dem Gefängnis holst, wirst du einen Schatz entdecken.
Das Verzeihen
Der Bereich körperlich-seelischer Nähe zeigt ganz besonders, dass vor dem Verzeihen die Heilung stehen muss. Wenn mein Partner mich betrogen und danach als Frau nicht ausreichend berührt, nicht begehrt hat, bin ich in meinem Frausein krank geworden. Wahrscheinlich habe ich ihn genau aus diesem Grund nicht verlassen: Ich war so geschwächt, dass ich keinen für mich selbst gesundenden Schritt mehr gehen konnte. Wenn ein Partner wirklich Interesse an seiner Frau hat, muss er alles dafür tun, damit sie als Frau wieder heil und gesund wird. Ansonsten hat er ihre Hingabefähigkeit
auf dem Gewissen, denn sie wird so verängstigt sein, dass sie sich überhaupt nicht mehr fallenlassen kann.
Was kann er tun? Oder im anderen Fall, was kann sie tun? Am besten ist es, den Menschen, der um Verzeihung gebeten wird, zu fragen, was er braucht. Und das dann einlösen.
In diesem Fall wäre eine sättigende Nachnährung erforderlich. Verletztes Frausein muss oft »back to the roots«. Wann hat die Verletzung stattgefunden, welche Entwicklung wurde dadurch gestört? Wenn es ganz am Anfang der Beziehung geschehen ist, was häufig vorkommt, also am Ende der Verliebtheitsphase, die so abrupt abgebrochen wurde, sollte dort angeknüpft und nachgeholt werden, was versäumt wurde.
Wenn irgendwelche Seiten der weiblichen oder männlichen Identität verletzt wurden, ist es wichtig, diese zu heilen. Wenn es also darum ging, dass der Partner eine andere Frau mehr begehrte als seine, aber mit seiner zusammenbleiben will, muss er dafür sorgen, dass sie sich als Frau sicher und begehrt bei ihm fühlt, sonst wird sie immer amputiert sein und ständig den Phantomschmerz spüren. Er ist als Partner dazu verpflichtet! Und sie im umgekehrten Fall ebenso.
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Ein Partner rollt sich wie ein Fötus zusammen, so wie wir uns um unsere Seele zusammenrollen, wenn sie verletzt ist. Der andere versucht, den Geschlossenen zu öffnen. Wichtig ist, dass der Aktive sich Zeit lässt, seine Unsicherheit akzeptiert, die Grenze des anderen respektiert, sich ganz auf den anderen einlässt. Ebenso wichtig ist, dass der Passive auf seine Gefühle hört, sich nicht eher öffnet, als es sich wirklich stimmig anfühlt.
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Ähnliches kann mit der Faustübung erprobt werden: Ein Partner schließt die Faust, der andere versucht, sie zu öffnen.
Das sind wertvolle Erfahrungen, die beiden Partnern die Augen über eigene Defizite öffnen können. Wenn ich diese
Übungen mit Paaren mache, bin ich immer wieder erstaunt, wie wenig Geduld und Einfallsreichtum derjenige aufwendet, der seinen Partner verletzt hat und nun aktiv dafür sorgen kann, dass dieser sich entspannt und langsam wieder öffnet. Manche sagen einfach: Mach mal die Faust auf! Oder sie versuchen es sogar mit Gewalt. Manche werden zornig, wenn nicht sofort geschieht, was sie wollen. Andere resignieren im Nu: Ich krieg das sowieso nicht hin. Bei diesen Paaren erlebe ich immer wieder, wie »das Opfer« die Verantwortung für den Partner übernimmt. Der verletzte Partner öffnet sich, bevor er dazu bereit ist, weil er es nicht aushält, den andern in seiner Hilflosigkeit zu sehen, zu »anspruchsvoll« zu sein, passiv zu empfangen.
Interessant ist auch immer wieder zu erleben, dass Paare mit dieser Konstellation ein völlig anderes Bild abgeben, wenn die Rollen getauscht werden.
Zur Bemühung um Verzeihen gehört viel nonverbales Tun: Streicheln, Küssen, Massieren. So macht der Verletzte neue heilende Erfahrungen. Unnötig zu sagen, dass es wirklich neue Erfahrungen sein müssen, dass also Geduld, Zeit, Konzentration Voraussetzung sind. Durch Ungeduld, Flüchtigkeit, abrupten Abbruch der Berührung wird in die alte Wunde eine neue geritzt.
Geben und Nehmen
Nirgends zeigt sich deutlicher, ob das Pendel der Waage in eine unheilvolle Richtung ausschlägt als in der Sexualität. Es wird vielleicht nicht immer sofort formuliert, aber wenn sich die körperliche Liebe vor allem an einen wendet und der andere ungeliebt, unbegehrt und unerfüllt bleibt, wird irgendetwas Unheilvolles geschehen. Schlimmstenfalls wird der Ungenährte krank. Das habe ich nicht selten in meiner Praxis erlebt.
Oft aber – und zum Glück – wendet er sich ab und einem anderen zu, der ihn oder sie als Frau oder Mann wieder
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