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Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Istanbul: Ein historischer Stadtführer

Titel: Istanbul: Ein historischer Stadtführer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Kreiser
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Veränderungen. Vorhandene Wege wurden verbreitert, die großen Flächenbrände ermöglichten die Neuordnung ganzer Quartiere. Als man 1872 den stellenweise nur 6 m breiten Divanyolu erweiterte, wurden Teile des Köprülü-Komplexes abgerissen und wenig entfernt neu aufgebaut. Selbst die
Türbe
des bedeutenden Staatsmanns aus dem 17. Jahrhundert wurde abgebaut und stilistisch modernisiert wieder errichtet. Die Bibliothek steht dagegen an ihrem ursprünglichen Platz. Damals fiel auch der Elçi Hân gegenüber der Konstantinssäule, ein Gebäude, das den kaiserlichen Gesandtschaften als Aufenthalt gedient hatte, der Spitzhacke zum Opfer.
Steine und Steinmetzen
    Gute Steine waren in Istanbul knapp, schlechte gab es im Überfluss. Nach der Eroberung Ägyptens durch Selîm I. (1517) kam farbiger Marmor von den Palästen der Mamluken nach Istanbul. Viele andere Spolien aus demnahen Anatolien und Rumelien wurden verbaut. Die Geschichte der Großbauten von der Süleymaniye bis zur Nûruosmânîye ist mit dem Beschaffen wertvoller Säulen verbunden.
    Wie alle anderen ehrbaren Berufsgruppen waren die Steinmetzen in Zünften zusammengeschlossen. Sie gehörten zur Gruppe der Bauhandwerker, die sich auf Habîb, den Zimmermann aus Antiochien (heute Antakya), als Patron
(pîr)
zurückführten. Im Zunftaufzug von 1582, anlässlich der Beschneidung der Söhne Murâds III., paradierten auch Steinmetzen mit ihren Werkzeugen. Das opulent illustrierte
Sûrnâme
zeigt zwei vorausgehende Männer, die zwischen Stangen einen Behälter aus vielfarbigem Marmor tragen.
    Als Evliya Çelebî ein Menschenalter später einen Zunftaufzug beobachtet, unterscheidet er hauptsächlich drei Gruppen von Steinberufen:
    (1) Die Marmorschleifer mit 121 Werkstätten und 300 Mitgliedern.
    (2) Die Steinmetzen, welche 1000 Mann zählen und in Dâvûdpaşa 10 Werkstätten haben.
    (3) Weitere 1000 Steinmetzen, die mit 1005 Eseln oder Maultieren als Transportmittel arbeiten.
    Bei den Marmorschleifern hebt Evliyâ hervor, dass sie während der Parade Marmor mit Chronogrammen beschrifteten und große Turbane und Grabsteine fertigten. Evliyâ erweist sich auch als Kenner der Steinbrüche in der Umgebung der Stadt. Er nennt unter den dreizehn Mineralien, die sich im Boden Istanbuls verbergen, einen besonders wertvollen Stein: «In den Bergen über der Stadt Üsküdar kommt eine Art glatter
Küfegi
-Stein zu Tage. Er wird in großen, schweren Brocken gebrochen und ist ein sehr fester, merkwürdiger Stein. Man verwendet ihn größtenteils für die Friedhöfe.»
    Einem umfangreichen Register für Maximalpreise aus dem Jahr 1640 entnehmen wir, was die einzelnen Werkstücke kosteten. Man unterschied vor allem den berühmten «Feuerstein» (türk.
od taşı
, in den Quellen auch als
Seng-i ateş)
und den
Küfegi.
Der
Od taşı
ist ein grünliches oder beigefarbenes Ergussgestein. Man findet ihn in Brüchen rund um das Marmarameer. Der weniger wertvolle
Küfegi
, ein Schwammkalkstein, wurde im 16. Jahrhundert vor allem im oben schon genannten Dâvûdpaşa, vor den Toren der Stadt, gewonnen. Der glatte, schieferartige
Kaygan
bildete die dritte Kategorie.
    Das Preisregister gibt genaue Maße für die einzelnen Werksteine. Man unterschied neben den einfachen Blöcken vor allem Bodenplatten, Schwellen und Stürze bzw. Rahmen für Fenster und Türen. Hinzu kamenSäulenfüße und Keilsteine. Der
Od taşı
wurde nicht nur als Baumaterial eingesetzt. Er diente für große und kleine Öfen, insbesondere für die Heizungen der Hammams und Backstuben. Eine weitere Anwendung waren die Schmelzöfen der Kanonengießerei
(Tophâne).
Der Tageslohn der Steinmetzen auf Baustellen lag damals zwischen 20 und 25
Akçe
, ungelernte Arbeiter erhielten 10–15
Akçe.
Für einen
Akçe
bekam man damals einen Sesamkringel im Gewicht von 90
Dirhem
(289 g), für 1
Okka
Schaffleisch musste man 9
Akçe
hinlegen.
    Ein Dokument aus den Istanbuler Archiven soll hier zeigen, welche Arbeitsbedingungen für Steinmetzen im 18. Jahrhundert bestanden. Im Frühjahr 1760 erhielt der Kadi ein großherrliches Befehlsschreiben, in dem über das berufliche Schicksal eines gewissen Hasan aus der Zunft der Istanbuler Steinmetzen entschieden wurde.
    Er habe ein Ersuchen an die Pforte der Glückseligkeit gerichtet. Er arbeitete an der zur Zeit in Üsküdar auf kaiserlichen Befehl entstehenden Moschee. Er sei ein treu ergebener, rechtschaffener, emsiger und sorgfältiger Steinmetzgeselle und in seinem Gewerbe sehr geschickt.

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