Istanbul: Ein historischer Stadtführer
Allerdings verfüge er über keine eigene und selbständige Werkstatt, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Aufgrund seines Erflehens um Gnade wurde in einem
Fermân
bekanntgegeben, dass er Mitleid verdiene und an einem Ort seiner Wahl eine Werkstatt eröffnen dürfe und niemand intervenieren und opponieren solle. Der Vorstand
(kethüdâ)
der Steinmetzzunft el-Hâcc Ali und der Steinmetzmeister İsmâîl sowie el-Hâcc Abdullâh und Molla Halîl und Osmân Çelebî und Meister Mehemmed und Molla Mehemmed und Seyyid İbrâhîm und Meister Hasan und el-Hâcc Osmân und Osmân bekundeten sämtlich bei Gericht, dass der genannte Hasan aus der Steinmetzzunft ein geschickter und seinen Zunftpatron achtender Meister sei, der das Recht auf eine eigene Werkstatt erworben habe. Alle stimmten darin überein, dass er in Istanbul an einem Ort seiner Wahl eine Werkstatt aufmachen könne – unter der Bedingung, anderen nicht zu schaden.
Tatsächlich wurde zum Zeitpunkt der Eingabe noch an der später Ayazma Câmii genannten Moschee in Üsküdar gearbeitet. Sie wurde 1757 unter Mustafâ III. in Angriff genommen und 1760 vollendet. Hasan hat wahrscheinlich an der Marmorausstattung der Ayazma-Moschee mitgewirkt. Interessant ist, dass Marmor von der fernen ägäischen Insel İstendil (Tinos) verwendet wurde. Tinos war nicht nur wegen seiner Steinbrüche bekannt, hier entwickelte sich im 19. Jahrhundert eine griechische Bildhauerschule, die für Auftraggeber in Istanbul und Athen Grabmäler schuf. Vielleicht istder feine Minber der Ayazma-Moschee aus Marmor von Tinos und dieser Hasan sein Meister? Aus den Bauabrechnungen wissen wir, dass an Steinmetzen und Zimmerleute zusammen 68.782
Kuruş
und 26
Akçe
ausgezahlt wurden.
Der junge Handwerker Hasan hatte sich auf der Großbaustelle bewährt und konnte nun selbständig arbeiten. Ob er weitere Aufträge des Hofes erhielt, lässt sich nicht sagen. Arbeit gab es auch im Wohnungsbau und auf den Friedhöfen. Auch wegen der großen Flächenbrände in Istanbul ging die Arbeit für die Steinmetzen nicht aus. Schließlich hatten auch Holzhäuser steinerne Schwellen, Pflasterungen und Feuerstellen.
Das alte Istanbul kannte keine Gewerbefreiheit. Über die Zulassung von Werkstätten wachte, wie wir gesehen haben, die oberste Behörde. Aus einer Urkunde aus dem Jahr 1746 erfahren wir, dass elf «Schutzbefohlene», also Nichtmuslime, mit Zustimmung des Obermeisters und in Übereinstimmung mit anderen Ältesten und Meistern sowie der Erlaubnis des Hofbaumeisters Werkstätten, vor allem in den Stadtteilen Kumkapı und YeniKapı, betrieben. Die Behörde hatte wegen eines Stadtbrandes deren Tätigkeit nicht eingeschränkt, obwohl sie in bestehende Vorrechte der muslimischen Steinmetzen eingriff. Ihre muslimischen Konkurrenten trugen vor, dass sie mit Marmor, Schwammkalkstein und Feuerstein handelten, keine Ablöse für ihre Werkstätten
(gedik)
zahlten und sogar auf islamischen Friedhöfen tätig waren. Auch transportierten sie Steine von der Marmara-Insel mit ihren Schiffen. Die Ungläubigen verwahrten sich gegen die Anschuldigung. Der Streit wurde beigelegt, nachdem die christlichen Steinmetzen die
Gedik
genannte Abgabe zahlten und versicherten, über die 11 Läden hinaus keine weiteren Werkstätten zu eröffnen.
Wohnhäuser und Paläste
Die meisten Einwohner des osmanischen Istanbul lebten bis in das 20. Jahrhundert hinein in Holzhäusern. «Das traditionelle türkische Wohnhaus ist durch seine Holzkonstruktion und starke Plastizität des Baukörpers geprägt. Von Mittelanatolien bis weit in den Balkan hat sich bis in das späte 19. Jh. hinein ein fast einheitlicher Haustyp herausgebildet und erhalten. Wesentliche Elemente der Innenraumausstattung in den Wohnhäusern sind in ihrer Nutzung nicht festgelegte Räume, deren Boden mit Teppichen belegt ist. Die Decken sind mit mannigfaltigen, geometrisch aufgebauten und aus Leisten hergestellten Mustern versehen.Die Raummitte ist häufig durch eine Rosette oder andere Elemente betont» (Johannes Cramer).
Abb. 2: Sommerhaus auf den Prinzeninseln
Die wichtigsten erhaltenen Beispiele von Holzhäusern konzentrieren sich in den unter Denkmalschutz stehenden Bezirken von Süleymaniye und Zeyrek. Die Holzhäuser der zwischen den Serailmauern und der Aya Sofya liegenden Soğukçeşme-Straße wurden in den 1980er Jahren restauriert. Trotz der Überarbeitungen vermitteln sie einen Begriff vom durchschnittlichen Holzbau der letzten Jahrhunderte.
Westliche
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