Italien zum Verlieben (German Edition)
Hektar etwa achtzig Prozent Chardonnay
und zwanzig Prozent Grechetto an. Natürlich machen wir auch
einen wundervollen Grappa." Tonis Augen leuchteten.
"Und wann ist die Ernte?"
"So Anfang September. Wobei wir schon im August
einzelne Trauben, die noch grün sind, entfernen, auch um wieder
die Qualität zu steigern. Nebenbei fallen auch jede Menge
Laubarbeiten an, die Stöcke müssen schließlich vom
Wind gut durchlüftet werden können."
"Na, da hat man ja wirklich das ganze Jahr über
zu tun!" stellte Anna fest.
"Ja natürlich, aber als Weingärtner will
man sich ja auch um seinen Wein kümmern, man freut sich, wenn
man die Reben so beeinflussen und das Beste aus ihnen heraus kitzeln
kann, um dann am Ende einen ausgezeichneten Wein probieren zu können.
Weißt du, das macht das Leben hier aus."
Anna sah die Leidenschaft in Tonis Augen. Sie konnte
sich gut vorstellen, wie es sein musste, sein eigener Herr zu sein
und jeden Tag das Gefühl zu haben, gebraucht zu werden und etwas
wirklich Gutes, Eigenes zustande zu bringen. Fast beneidete sie ihn
um dieses Leben hier. Dieser zufriedene Ausdruck in seinen Augen! Er
hatte das gleiche ovale Gesicht wie sie und ihre Mutter, stellte sie
fest. Wäre der Bart nicht, wären seine Gesichtszüge
beinahe etwas zu weich und feminin, überlegte sie.
"Aber weißt du, ohne unseren Winzer Paolo
Santore würden wir auch keine so guten Weine machen", gab
er zu. "Er ist auf einem Weingut aufgewachsen und kennt immer
genau den richtigen Zeitpunkt für alle Eingriffe. Manchmal denke
ich, er kann sogar mit dem Wein sprechen." Toni lachte. "Ich
habe ihn vor etwa zehn Jahren eingestellt, er wohnt im Nebengebäude,
von dort hat er den Wein immer genau im Blick.
Sein Sohn Marco war damals Achtzehn und teilte die
Leidenschaft seines Vaters. Als ich Paolo einstellte, war Marco
gerade mitten in seiner Winzerausbildung in einem großen,
bekannten Weingut drüben in der Toskana. Als er mit neunzehn
fertig war, habe ich ihm einen Job angeboten. Ich dachte, Marco
könnte mit seinem neuen Wissen etwas frischen Wind in unsere
Weinproduktion bringen, weißt du, man muss auch immer mit der
Zeit gehen. Die Winzerwohnung hat ja sowieso zwei Stockwerke, siehst
du, und so haben wir das obere einfach abgeteilt und auf der
Südseite, da wo die kleine Terrasse ist, noch eine Holztreppe
gebaut, so sind es jetzt zwei einzelne Wohnungen und die beiden
Männer treten sich nicht auf die Füße wo sie doch
schon zusammen arbeiten."
Anna kam der Gedanke, dass der Mann, mit dem sie bei
ihrer Ankunft fast zusammengestoßen war, wahrscheinlich genau
dieser Marco gewesen sein musste. Mit steigendem Interesse hörte
sie ihrem Onkel zu.
"Außerdem dachte ich, es würde beiden
bestimmt gut tun, zusammen zu arbeiten. Du musst wissen, Marcos
Mutter hat die beiden verlassen, als er gerade Zehn war. Sie war
Deutsche und konnte wohl mit dem italienischen Temperament ihres
Mannes nicht so recht umgehen. Zugegeben, Paolo ist oft recht
launisch und man kann auch nicht behaupten, dass Marco die Gemütsruhe
seiner Mutter geerbt hat, deshalb geraten die beiden auch des öfteren
aneinander, besonders was die Methoden betrifft. Paolo ist eben noch
von der alten Schule, weißt du. Aber ich glaube, dass genau
diese Mischung dafür verantwortlich ist, dass wir inzwischen so
gute Weine produzieren." Toni machte eine Pause. "Außerdem
finde ich, dass eine Familie in einer solchen Situation besonders
zusammenhalten sollte. Und weißt du, irgendwie ist Marco für
mich inzwischen wie der Sohn, den ich nie hatte, so sprühend vor
neuen Ideen und sehr ehrgeizig! Ein wirklich netter Junge."
"Paolos Frau hat ihn wegen seines Temperaments
verlassen?" hakte Anna ungläubig nach.
"Scheinbar schon. Weißt du, mit dem
italienischen Temperament muss man schon umzugehen verstehen",
er grinste und Anna wusste, dass er dabei an seine Maria dachte. "Die
Italiener bringen ihre Gefühle einfach viel deutlicher zum
Ausdruck als die Deutschen und man darf nicht immer alles gleich auf
die Goldwaage legen. Zumindest bekommt man die Meinung immer deutlich
ins Gesicht gesagt und das muss man eben aushalten können."
"Na da weiß man doch wenigstens, woran man
ist, oder?" Diese Offenheit war ein Wesenszug, der Anna schon
immer an den Italienern gefallen hatte. Ob das in dem Lieferwagen
wohl wirklich dieser Marco war? "Als ich heute Mittag hier
angekommen bin, wäre ich fast mit einem braunen Lieferwagen
zusammengestoßen, der irre schnell aus eurer
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