Italien zum Verlieben (German Edition)
Abendessen erschienen, sondern hatte
sich etwas aus der Küche geholt und war früh in ihr Zimmer
gegangen. Sie wollte Marco heute nicht mehr sehen. Morgen würde
sie vielleicht ein Gespräch mit Maria oder ihrem Onkel suchen um
festzustellen, wie sie über ihren Aufenthalt hier dachten, damit
Anna gleich von vornherein falsche Vermutungen widerlegen konnte.
Sie hatte sich ein paar Bücher mitgenommen und
setzte sich nun aufs Bett und begann zu lesen um auf andere Gedanken
zu kommen. Schon bald darauf war sie eingeschlafen.
Der Morgen begann bereits zu dämmern, als Anna
erwachte. Ihr Rücken schmerzte, da sie halb sitzend auf dem
Kopfkissen lag, das aufgeschlagene Buch noch immer in Händen.
Sie legte es beiseite und schaltete die Nachttischlampe aus. Dass sie
beim Lesen eingeschlafen war, war ihr ja schon lange nicht mehr
passiert. Sie streckte sich ausgiebig und bemerkte dabei, dass die
Schmerzen wohl nicht nur von ihrer ungewöhnlichen Schlafhaltung
kamen, sondern sie sich einen gehörigen Sonnenbrand auf dem
Rücken geholt hatte. Vorsichtig schlüpfte sie aus dem Bett
und ging zum Fenster. Kühle, feuchte Luft strömte ihr
entgegen, als sie es öffnete.
Schlafen wollte sie jetzt nicht mehr und so zog sie sich
eine Jeans und ein Sweatshirt an, band ihre Haare zu einem
Pferdeschwanz und ging leise nach unten. Draußen war alles
ruhig. Nur in der Ferne hörte sie, wie eine Krähe ihre
Kreise zog und lautstark den Morgen ankündigte. Der Himmel im
Osten begann schon zu leuchten und über den Weinbergen hingen
noch dicke, weiße Nebelschwaden. Sie überquerte den Hof
und ging zu dem Feldweg, der geradewegs hinunter zu den Weinreben
führte. Dort stand rechts an dem Mäuerchen, dass den Hof
begrenzte eine alte Holzbank, die aus zwei halben, bereits ergrauten
Baumstämmen bestand und sehr einladend aussah. Als Annas Blick
auf sie fiel, hellte sich ihr Gesicht auf. Sie saß bereits als
Kind oft hier. Ihre Mutter hatte ihr dabei aus "Der kleine
Hobbit" vorgelesen. Anna konnte sich noch genau an ihre Stimme
erinnern und wie ihre Mutter es geschafft hatte, die Geschichte so
enorm lebendig erscheinen zu lassen. Anna hatte nie genug bekommen
können und um jede weitere Seite gebettelt.
Sie setzte sich und strich einen Moment lang mit ihrer
Hand über das verwitterte Holz. Dann ließ sie ihren Blick
in die Ferne schweifen. Wenn man sich anstrengte, konnte man den
Tuffsteinfelsen sehen, auf dem die berühmte Weißweinstadt
Orvieto lag. Sie erinnerte sich daran, wie sie früher mit ihren
Eltern einmal dort war. Man konnte mit einer Gondel zur Stadt hinauf
fahren. An dieses Ereignis konnte sie sich noch genau erinnern. Ihre
Mutter hatte etwas Höhenangst und sie als tapfere Tochter hatte
ihre Scherze mit ihr getrieben. Der Gedanke an ihre Eltern erfüllte
sie mit Wehmut. Überall hier gab es so viele Erinnerungen an
sie. Wenn doch nur alles anders gekommen wäre. Doch sie durfte
nicht zulassen, dass sie sich ihrem Selbstmitleid hingab. Das alles
hier, die Landschaft, das Klima, die netten Menschen und die
Kindheitserinnerungen gaben Anna Kraft. Sie spürte, wie gut ihr
der Aufenthalt hier tat. Sie war hier immer glücklich gewesen.
Hier war immer alles schön und perfekt gewesen.
Dann dachte sie an das, was sie gestern zu Marco gesagt
hatte. Dass sie sich gut vorstellen könnte, hier zu leben. Das
hatte sie tatsächlich so gemeint. Sie dachte darüber nach,
dass sie wirklich die einzige Verwandte ihres Onkels war und somit,
falls er es in einem Testament nicht anders festlegte, wirklich das
hier alles erben würde. Den Gedanken fand Anna irgendwie
unpassend. Sie fühlte sich hier zwar wohl, aber hatte mit dem
allem hier doch nichts zu tun und auch keine Ahnung, wie man ein
Weingut führte. Natürlich konnte sie sich auch nicht
vorstellen, dass ihr Onkel so bald sterben würde, immerhin war
er ja erst Fünfundsechzig. Und ob er sich deswegen bald in den
Ruhestand begeben würde, wagte Anna zu bezweifeln, wenn sie an
die Hartnäckigkeit und den Arbeitswillen ihres Onkels dachte.
Nach einigem Überlegen musste sie sich eingestehen,
dass wohl doch Marco eine geeignete Wahl wäre, wenn es um einen
Nachfolger ging. Wenn er sich wirklich so engagierte, wie Toni es ihr
geschildert hatte? Und er schien ja wirklich große Stücke
auf ihn zu geben. Wahrscheinlich hatte er längst ein
entsprechendes Testament verfasst und an sie überhaupt nicht
mehr gedacht, wo sie sich doch all die Jahre nicht mal mehr gemeldet
hatte. Ja, obwohl
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