Italienische Märchen
Laufen wie das erste Mal und ruhte nicht eher, bis er dem guten Ungeheuer, das eben ein wenig eingeschlummert war, platt wider den Kopf rannte. Das Ungeheuer wußte schon alles, was ihm geschehen war; denn es hatte einen Spiegel, in dem es alles sehen konnte, und nahm ihn, nachdem es ihm tausend Ehrennamen, Tölpel, Schafskopf, Tollpatsch, Dähmel, Dummerjan usw., gegeben hatte, weil er sich von dem Wirte hatte betrügen lassen, wieder in seine Dienste auf.
Nach vier Jahren hatte Dilldapp abermals einen Traum, daß seine zweite Schwester, welche Saloppe hieß, in große Abnahme komme und das Handwerk seiner armen Mutter dadurch sehr leide. Er erzählte dies dem guten Ungeheuer unter häufigen Tränen, welches wieder herzlich mitweinte und ihm erlaubte, nach Hause zu reisen, um die Seinigen zu trösten.
Dilldapp wollte schon abmarschieren, da nahm das gute Ungeheuer eine hübsche Serviette aus seinem Kasten und sagte: »Hier, mein lieber Dilldapp, nimm das Tüchlein mit dir; aber wenn es dir nicht gehen soll wie das erste Mal, so hüte dich, zu dieser Serviette, ehe du bei deiner Mutter bist, zu sagen: Tüchlein, Tüchlein, tu dich auf!« – Dilldapp versprach sein Möglichstes, steckte seine Serviette in die Tasche und begab sich auf die Reise.
Als er aber an die Stelle kam, wo er bei seiner ersten Reise das Aurekakaure gesagt hatte, setzte er sich wieder nieder, zog die Serviette hervor, beschaute sie an allen Orten und sprach: »Ich will mich wohl hüten, ich sage nie zu dir: Tüchlein, Tüchlein, tu dich auf!« – Kaum aber hatte er diese Worte gesagt, als die Serviette sich von selbst ausbreitete und voller Gold und Edelsteine lag. Er steckte diese Kostbarkeiten mitsamt der Serviette zu sich und kam bald darauf wieder in jenes Wirtshaus.
Der Wirt machte ihm tausend Bücklinge, und so oft Dilldapp von seinem Esel anfangen wollte, ließ ihn der Wirt nicht zu Wort kommen und sprach von seiner großen Ehrlichkeit, und daß in seinem Hause noch nie ein Heller sei gestohlen worden, worüber Dilldapp so treuherzig ward, daß er ihm abermals vor dem Schlafengehen seine Serviette aufzuheben gab und ihn recht herzlich bat, nicht zu ihr zu sagen: »Tüchlein, Tüchlein, tu dich auf!« Der Wirt machte tausend Versicherungen, wünschte eine geruhsame Nacht, nahm die Serviette mit auf seine Stube, und das erste, was er tat, war, daß er sagte: »Tüchlein, Tüchlein, tu dich auf!« Da sich die Serviette auseinanderbreitete und er sie voll Gold fand, sprang er freudig in die Höhe und lief gleich nach seinem Schrank, um ein ähnliches Tellertuch herauszufinden, welches er dem Dilldapp mit dem seinen vertauschen wollte. Er hatte es kaum gefunden, als er an Dilldapps Kammer pochte und rief:
Der Wind, der weht,
Der Hahn, der kräht,
Die Glock schlägt drei,
Herr Dilldapp, hebt Euch von der Streu!
Da machte sich Dilldapp auf, bezahlte wieder seine Rechnung, wie das vorige Mal, nur daß er statt des Stallgeldes für den Esel dieses Mal Preßgeld für das Tellertuch bezahlen mußte; denn der Wirt behauptete, daß er es die ganze Nacht gepreßt habe, damit es schön glatt sei. Dilldapp dankte tausendmal und machte sich auf den Weg.
Gegen Mittag kam er in die Stadt; er sah sich wieder ringsum, ob ihm seine Schwester Saloppe nicht begegne; aber er sah keine Saloppe auf der Straße, und als er in das Haus der Mutter kam, fand er sie und die jüngste Schwester Kontusche in bittern Tränen. »Ach! Frau Mutter!« rief Dilldapp, »was weinet Ihr?« und fing selbst an, herzlich zu weinen. »Gewiß ist die arme Schwester Saloppe krank?« – »Lieber Dilldapp!« sagte die Mutter, »du hast es erraten; die arme Saloppe hatte, nachdem die gute Andrienne in die weite Welt gegangen war, sehr viel zu tun. Alles wollte nur Kleider nach ihrem Muster, und wir lebten nur von Saloppe. Endlich nahm das auch ein Ende; sie kam immer mehr in der Stadt in Abnahme und mußte jetzt auch auf das Land, wo sie ihr Leben bei den Pfarrersfrauen und Amtmannsfrauen noch vielleicht eine Zeitlang hinbringt; eben ist sie mit dem Kondukteur vom Postwagen abgereist, der sie bei der Frau eines Wagenmeisters unterbringen will. Das tut weh, so herabzukommen, da sie noch vor einem halben Jahre mit der Oberpostmeisterin öffentlich spazieren ging; nun bin ich und deine Schwester Kontusche allein; sie ist klein und kurz und noch nicht so recht in der Mode, wie sollen wir nun leben?«
»Dafür ist gesorgt«, sagte Dilldapp und zog sein Tellertüchlein aus dem Busen
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