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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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gnädigst kurzes Gehör zu schenken, da die Sache keinen Aufschub dulde. Als ihm dieser gütig geantwortet hatte, er sei bereit, begann er weinend folgendermaßen zu ihm zu sprechen: »Mein Vater, höret, daß ich vor wenigen Tagen in Rom volle Vergebung meiner fast unverzeihlichen Sünden erlangt habe, und wenn ich auch in den vormaligen Stand der Unschuld zurückversetzt wurde, in dem ich nach dem Empfang der heiligen Taufe war, so wurde mir dennoch zum Ausgleich meiner schändlichen Verbrechen als zusätzliche Buße aufgegeben, zum heiligen Jakob von Compostella zu pilgern. Ich befand mich auf diesem Wege, als ich gestern hier anhielt, um Eure heiligen Worte zu hören. Da warf mir der Teufel, vielleicht gereizt, weil ich mich seinen Klauen entzogen hatte, eine Schlinge vor die Füße, mit der er mich an der Gurgel aufgehängt hätte: und zwar war es dieser Beutel, den ich in der Hand halte, in dem gut fünfhundert Dukaten sind. Damit zusammen hat er mir all meine unsägliche Not zum Bewußtsein gebracht, hat mich meine drei schlechtgekleideten Töchter sehen lassen, die in heiratsfähigem Alter und recht schön sind; auch habe ich alle die möglichen Gefahren erwogen, die für sie aus diesem Mangel an Mitteln erwachsen könnten; er bestärkte mich aus diesen und vielen andern Gründen, umzukehren und mit meinen armen Angehörigen das große Gut zu genießen, das mir das Glück in den Schoß geworfen hat. Ich aber habe, wohlgewappnet mit dem Schilde des Heiligen Geistes, dergleichen Versuchungen Widerstand geleistet, indem ich nur daran dachte, daß jeder große Schatz nichts ist im Verhältnis zur Seele, die Gott mit seinem kostbarsten Blute erlösen wollte. Mit diesem Vorsatz bin ich zu Euch gekommen und bitte Euch um Gottes willen, nehmt dieses Geld und verkündet es morgen, wenn Ihr prediget, dem Volke; denn ich zweifle nicht, daß sich der Eigentümer finden wird; und wer Euch die Kennzeichen, die daran sind, nennen kann, dem gebt es wieder; und wenn Ihr nicht der Ansicht seid, daß ich dafür mit gutem Gewissen einen Finderlohn nehmen könne, so flehe ich Euch an, Ihr wollet meine Armut dem Volke dieser Stadt ans Herz legen, wie und auf welche Weise es Eurer väterlichen Güte richtig erscheint!« Der glorreiche Heilige hörte den Mann sprechen, der sich mit so viel Scheinheiligkeit aufputzte, sah, daß das Geld seinen Worten entsprach, überdachte alles gründlich, und da ihm der Mann alt schien und von gutem Aussehen, schenkte er seinen Worten nicht nur zweifellosen Glauben, sondern ihm schien es ein unerhörtes Wunder zu sein, daß er in dieser von wölfischem Geiz und unersättlicher Geldgier verdorbenen und zerrütteten Welt eine menschliche Seele von solcher Vortrefflichkeit gefunden habe. Nachdem er mit vielen wundervollen, lobenden Aussprüchen seine erprobte Tugend gepriesen hatte, sagte er zu ihm: »Mein Sohn, ich weiß nicht, was ich dir sagen könnte, es sei denn, daß, wenn du selbst Christus gekreuzigt hättest, dir, nachdem du so einzigartig Gutes getan, vergeben würde, ohne noch eine Pilgerfahrt zu machen. Gleichwohl bestärke ich dich darin, die beabsichtigte Fahrt fortzusetzen, und sei guter Hoffnung, daß Gott diese Guttat nicht unbelohnt lassen wird: ich meinerseits werde morgen das Nötige tun, wie du selbst sehen wirst, und in einer Weise, daß ich hoffe, mit der Gnade meines Schöpfers bald deiner Armut größere Hilfe bringen zu können – und mit bestem Gewissen –, als die war, die der verdammte Feind Gottes vor dir ausgebreitet hatte, um dich in die Verdammnis zu stürzen.«
    Angelo dankte ihm vielmals für sein Erbarmen und ganz besonders für das Angebot, anderntags beim Volke für ihn bitten zu wollen; er ließ ihm den Beutel voll Gulden und sagte: »Mein Vater, weiset mich an, wie ich mich verhalten soll: denn nicht, um mich zu brüsten, sondern um die Wahrheit zu sagen, muß ich Euch mitteilen, daß ich von edler Abkunft bin, und sehr ungern, könnte ich es irgend anders machen, würde ich mich hier erkennen lassen, wie ich Almosen erbitte.«
    Der heilige Bernhard glaubte ihm leicht, hatte noch mehr Mitgefühl mit ihm und ordnete an, er solle aus der Zelle seines Gefährten nicht weggehen.
    Als der neue Tag gekommen war, stieg er nach seiner Gewohnheit auf die Kanzel, wechselte das vorher bestimmte Thema und sagte: » Fecit mirabilia in vita sua: quis est iste et laudabimus eum?« Sodann fügte er hinzu: »Bürger dieser Stadt, mir ist soeben ein wunderbares Geschehnis

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