Italienische Novellen, Band 1
früher als gewöhnlich aufstand, sein Haus verließ, um die Messe in der Sancta Lucia-Kirche zu hören, die an der Straße dicht bei seinem Hause lag, um dann einige seiner Angelegenheiten zu besorgen und nach unserm Hafen Macagnano hinunterzustürzen, damit er seine Waren nach Venedig befördere. Mein Verwandter, der immer auf der Lauer lag, trat plötzlich, sobald er Bescheid wußte, in das Haus ein, zu dessen Tür er den Schlüssel besaß, ging die Treppe hinauf und in das Zimmer hinein, wo sich Ambrosinos Frau befand. Nachdem er das Zimmer verschlossen und verriegelt hatte, zog er sich aus und legte sich neben die geliebte Frau, die sich ihm nach gewohnter Weise in die Arme warf, und sie ergaben sich der Liebeslust.
Es dauerte ungefähr eine Stunde, bis Ambrosino nach Hause kam, um einige schriftliche Arbeiten wegen der nach Venedig gesandten Ware vorzunehmen. Er öffnete die Haustür; dann kam er vor die Zimmertür und steckte, wie er gewohnt war zu tun, den Schlüssel in das Schloß, um zu öffnen. Das merkte Fabio, und da er eine List fürchtete und auch etwas Angst um sein Leben hatte, sprang er aus dem Bett und lief nackt, ein Messer in der Hand, nach der Tür, die Ambrosino gerade geöffnet hatte, und so stand er ihm gegenüber. Ambrosino erschrak sehr, wie er Fabio nackt, ein Messer in der Hand, auf ihn zukommen sah, und es fehlte nicht viel, so wäre er lang hingeschlagen.
Schnell und geistesgegenwärtig dachte Fabio mehr an die Rettung der Frau, als er von dem Gatten für sich selbst fürchtete, und sagte: »Ambrosino, fürchtet Euch nicht, denn heute will ich Euch die beste Mitteilung machen, die Ihr je in Eurem Leben bekommen habt. Seit langer Zeit liebe ich Eure Frau mehr als meine Seele; aber niemals habe ich ihre Gunst gewinnen können, und das Glück, mit ihr Zusammensein zu können, ist mir nicht früher begegnet als eben jetzt. Jetzt bin ich schon lange Zeit bei ihr und habe den größten Kampf gekämpft und sie gebeten, wenn ihr mein Leben wert wäre und wenn meine lange heiße Liebe irgendeinen Lohn und Dank verdiente, mir ihre ersehnte Zuneigung zu schenken, – aber sie hat sich immer geweigert. Meine Versprechungen, Bitten oder Drohungen haben mir nichts genutzt; es gibt gewiß keinen noch so mächtigen Schloßherren, in einer sehr starken und uneinnehmbaren Burg eingeschlossen, der sich solchem Angriff nicht ergeben hätte. Daher scheint es mir, mehr als jeder andere könntet Ihr zufrieden leben und Euch rühmen, die verständigste und keuschste Frau zu besitzen, die jemals auf Erden weilte. Für dies mein schweres Vergehen nun, das ich Euch gegenüber aus übergroßer Liebe begangen habe, bitte ich Euch, mir Verzeihung zu gewähren, ohne daß Ihr in Zukunft irgend etwas von mir zu befürchten habt; und wenn Ihr mir nicht verzeihen wollt, nehmt dieses Messer und gebt mir diejenige Strafe, die meine jugendliche Verwegenheit und Leidenschaft verdient haben!«
Wie Ambrosino diese Worte hörte, atmete er erleichtert auf, und seinen lebhaften Zorn besänftigend, näherte er sich, ohne noch ein Wort zu sagen, dem Bett seiner Frau; voll Furcht und Scham, stellte sie sich, als sei sie empört über den Besuch ihres Liebhabers, schlang ihre Arme um den Hals ihres Mannes und sagte zu ihm, Tränen in den Augen: »O mein lieber Gatte, in welcher Angst und üblen Lage habe ich mich befunden, seit du aufgestanden bist! Verwünscht seien die Stunde und der Ort, wo ich in diese Welt gekommen bin! Denn sicher, hätte ich ein Messer gehabt, so hätte ich mich getötet, um solcher Pein zu entgehen, zu deiner und zu meiner Ehre; denn diese anmaßenden und schurkischen Jünglinge dieser Erde wollen den armen anständigen Frauen Gewalt antun und ihnen ihre Keuschheit rauben.«
Bei diesem falschen Schmerzausbruch seiner Frau seufzte Ambrosino und sagte, indem er kaum seine Tränen zurückhalten konnte: »0 meine liebe Lukrezia, tröste dich, denn ich sehe sehr wohl, wie du mich liebst. Daher werde ich dir für deine Ausdauer in der Tugend und die Unerschütterlichkeit deines Sinnes ein schönes grünes Kleid mit gestickten Blumen und seidenen Fransen machen lassen.«
Dann wandte er sich an Fabio, der noch immer beschäftigt war, sich wieder anzuziehen, und sagte: »Junger Mann, mach solche Sachen nicht wieder: denn nicht immer wirst du solche Männer finden wie mich, und geh' in Gottes Namen!«
Fabio ging fort und ließ den Mann und die Frau im Zimmer; diese unterhielten sich weiter über die Anmaßung des
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