Italienische Novellen, Band 1
jungen Mannes, die sie für tollkühn hielten, bis die Frau merkte, daß ihr Mann die Sache nicht weiter verfolgte und stolz auf ihre standhafte Treue war; da erinnerte sie ihn an das Kleid, das er ihr versprochen hatte. Dies bekam sie in wenigen Tagen, und es war noch viel schöner, als er ihr versprochen hatte; denn zu noch größerer Zierde hatte er ihr auf einen Ärmel ein Bild mit Strahlen aus Perlen sticken lassen, die aus einer Sonne herauskamen, worunter in griechischen Buchstaben zu lesen war: »Bei Sonnenlicht kann man besser sehen.«
Und Fabio, der ein vorsichtigeres Mittel gefunden hatte, kam oft mit Lukrezia zusammen und freute sich über das schöne Kleid, und sie sangen zusammen mit großer Anmut: »Bei Sonnenlicht kann man besser sehen«.
Ungenannte Verfasser
Der dicke Tischler
In der Stadt Florenz versammelte sich im Jahre 1409 eines Sonntagabends eine Gesellschaft junger Leute zum Nachtessen im Hause eines florentinischen Edelmannes namens Tommaso de Pecori, eines ehrenwerten, rechtschaffenen, heiteren Mannes, der ein großer Freund der Geselligkeit war. Als man nach Tische um das Feuer herumstehend über dies und jenes plauderte, wie es bei dergleichen Veranlassungen unter Bekannten zu geschehen pflegt, sagte einer von ihnen: »Was soll nur das heißen, daß diesen Abend Manetto Ammannatini nicht herkommen wollte, und daß wir ihn durchaus nicht heranzubringen vermochten?«
Der besagte Manetto war und ist noch ein Verfertiger von ausgelegten Holzarbeiten und hatte seine Bude am Platze San Giovanni. Er galt für einen der besten Meister in der besagten Holzarbeit sowohl als in Verfertigung von Werkzeugen für die Arbeitstische der Frauen. Dabei war er ein ganz angenehmer Mensch, eher arglos als schlau, etwa achtundzwanzig Jahre alt, und weil er derb und groß gebaut war, nannte man ihn den Dicken. Er war sonst immer gewohnt, sich in der obengenannten Gesellschaft einzufinden, die aus lauter fröhlichen und lebenslustigen Leuten bestand; diesen Abend aber, seien es anderweitige Geschäfte oder Grillen, wie er sie manchmal hatte, oder was sonst immer, obgleich man es ihm oft gesagt hatte, wollte er sich nicht bereden lassen hinzugehen. Als daher jene überlegten und sich besannen, was schuld daran sein möge, aber keinen Grund auffinden konnten, kamen sie einstimmig zu dem Schusse, es könne nichts anderes als Grillenfängerei von ihm gewesen sein. Sie hielten sich dadurch ein wenig für beleidigt, und der Sprecher von vorhin sagte deshalb: »Aber warum spielen wir ihm nicht einmal einen Streich, damit er sich nicht daran gewöhnt, um seiner Grillen willen uns ganz zu vernachlässigen?«
Darauf erwiderte ein anderer: »Was können wir ihm aber anhaben, als daß wir ihn eines Abends die Zeche bezahlen lassen oder sonst eine Lumperei?«
Es war unter dieser Tischgesellschaft einer namens Filippo di Ser Brunellesco, dessen Verdienst, wie ich glaube, damals und jetzt bekannt ist. Dieser ging vertraut mit dem Dicken um und kannte sein Wesen genau. Er war ein feiner Kopf, und nachdem er eine Weile bei sich nachgesonnen und seine Phantasie hatte spielen lassen, begann er also: »Hört, liebe Freunde, wenn wir Lust haben, da fällt mir etwas ein, eine so hübsche Posse, die wir dem Dicken spielen können, daß wir davon den größten Spaß hätten. Mein Plan besteht nämlich darin, daß wir ihm weismachen, er sei aus sich selber herausgetreten und in einen andern verwandelt, er sei nicht mehr der Dicke, sondern sei ein anderer geworden.«
Hierauf wandten zwar die andern ein, dies sei unmöglich auszuführen; Filippo aber führte ihnen seine Gründe und Beweise an und wußte durch seinen scharfen Verstand ihnen dieselben so überzeugend zu machen, daß sie zuletzt nicht mehr an der Ausführbarkeit des Planes zweifelten. Sie verständigten sich daher über die Art und Weise, wie jeder ihn auf den Glauben zu bringen suchen solle, er sei ein gewisser Matteo, der auch zu ihrer Gesellschaft gehörte, und die Sache nahm am nächsten Abend ihren Anfang in folgender Gestalt.
Filippo di Ser Brunellesco, der bekannter mit dem Dicken war als die übrigen, trat zu der Stunde, da die Handwerker ihre Läden zu schließen pflegen, in die Bude des Dicken ein und plauderte eine Weile mit ihm, bis verabredetermaßen ein kleiner Knabe eilig gelaufen kam und fragte: »Kommt hierher nicht zuweilen Filippo di Ser Brunellesco? Und ist er vielleicht jetzt da?« Filippo trat auf ihn zu, sagte, ja, er sei der Mann, und fragte
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