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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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heiterer Miene die Mannhaftigkeit des Prinzen rühmte. Der König war ein scharfsichtiger Mann; er hatte schon oft und viel die Tapferkeit seines Seneschalls in andern Turnieren, Wettkämpfen, Buhurten und Schlachten erprobt und ihn immer vorsichtig, klug und persönlich äußerst tapfer erfunden; so erkannte er denn wohl, daß das Fallen der Lanze nicht zufällig gewesen war, sondern ganz vorsätzlich, und dies bestärkte ihn in der Ansicht, die er über die Großmut und Aufopferung seines Seneschalls hegte.
    Und in der Tat, der Edelmut des Seneschalls Ariabarzanes war so groß, daß, wie mich dünkt, wenige sich bereit finden ließen, ihn nachzuahmen. Wir sehen den ganzen Tag viele mit den Glücksgütern freigebig umgehen und reichlich bald Kleider, bald Silber und Gold, bald Edelsteine und andere Dinge von großem Wert an den und jenen verschenken. Ja, große Herren sieht man nicht nur mit solcherlei Dingen gegen ihre Diener freigebig und großmütig, sondern sie verschenken selbst großartig Burgen, Ländereien und Städte. Was sollen wir von denen sagen, die mit ihrem eigenen Blute und mit dem Leben selbst oftmals verschwenderisch umgehen im Dienste anderer? Von solchen und ähnlichen Beispielen sind alle Bücher aller Sprachen voll; aber wer den Ruhm geringschätzt und mit seiner eigenen Ehre freigebig ist, ein solcher findet sich noch nicht. Der siegreiche Feldherr schenkt nach dem blutigen Treffen seinen Kriegskameraden Beutestücke der Feinde und Gefangene und macht sie teilhaftig der ganzen Eroberung; aber den Ruhm und die Ehre der Schlacht behält er für sich selbst. Und, wie der wahre Vater der römischen Beredsamkeit göttlich bemerkt, jene Philosophen, die von der Pflicht der Geringschätzung des Ruhmes schrieben, streben eben durch ihre Bücher nach Ruhm. Dem König nun gefiel diese Großmut und dieses Zurücktreten seines Seneschalls nicht, vielmehr war es ihm zuwider; denn er war der Ansicht, es sei für einen Untertanen und Diener nicht schicklich, sich nicht nur seinem Herrn gleichzustellen, sondern ihn durch Handlungen der Großmut und Aufopferung zu verpflichten; so fing er an, ihn es merken zu lassen und ihn weniger freundlich zu behandeln als bisher. Ja, zuletzt beschloß er, ihn deutlich merken zu lassen, wie sehr er sich irre, wenn er glaube, sich seinen Gebieter verpflichten zu können, und zwar folgendermaßen.
    Es war eine alte bewährte Sitte in Persien, daß die Könige alljährlich den Jahrestag ihrer Krönung durch ein großes pomphaftes Fest feierten, an welchem Tage alle Barone des Reichs verbunden waren, sich am Hofe einzufinden, woselbst der König sie acht Tage lang hintereinander mit den kostbarsten Mahlzeiten und anderen Festlichkeiten bewirtete. Als nun der Jahrestag der Krönung des Artaxerxes kam und alles in gehöriger Weise zugerüstet war, wollte der König ausführen, was ihm eingefallen war, und er trug einem seiner vertrauten Kämmerer auf, sogleich den Ariabarzanes aufzusuchen und ihm zu sagen: »Ariabarzanes, der König befiehlt dir, im Augenblicke den Schimmel, den goldenen Stab und die übrigen Zeichen deines Seneschallamtes selber deinem Feinde Darius zu bringen und ihm im Namen des Königs zu eröffnen, daß er zum obersten Seneschall ernannt ist.«
    Der Kämmerer ging hin und tat, was der König ihm aufgetragen hatte. Als Ariabarzanes diese strenge Botschaft hörte, meinte er umzukommen vor Schmerz, und er empfand die Sache um so tiefer, als Darius sein erbittertster Feind auf Erden war. Demunerachtet gewann er es bei seiner Seelengröße nicht über sich, den innerlichen Kummer merken zu lassen, sondern sagte zu dem Kämmerer mit heiterem Gesicht: »Was meinem Herrn gefällt, das soll geschehen. Siehe, auf der Stelle gehe ich, seine Befehle ins Werk zu setzen!«
    Und so tat er auch alsbald mit größtem Eifer. Und als die Stunde der Mittagsmahlzeit kam, verrichtete Darius den Dienst als Seneschall. Sobald der König bei der Tafel saß, setzte sich auch Ariabarzanes mit heiterer Miene mit den andern Baronen zu Tische. Die Verwunderung aller war sehr groß, und unter den Baronen lobten die einen den König, die andern nannten ihn im geheimen undankbar, wie das unter Hofleuten so Sitte ist. Der König verwandte kein Auge von Ariabarzanes und verwunderte sich sehr, daß er sich äußerlich so heiter gab; er hielt ihn deshalb in der Tat für einen Mann von sehr edlem Sinne. Und um nun auf den Plan zu kommen, den er früher entworfen, fing er an, mit bittern Worten

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