Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
Vom Netzwerk:
allen seinen Baronen seine Unzufriedenheit mit Ariabarzanes darzulegen: andererseits bestach er einige, um sorgfältig auszuspähen, was er sagte und tat. Ariabarzanes hörte die Worte seines Gebieters und wurde von den Schmeichlern, die hierauf angewiesen waren, gereizt; er sah auch, daß die Geduld, die er bewies, ihm nichts nützte, und daß ihm die Bescheidenheit nichts half, die er im Reden geübt hatte; er erinnerte sich des langen treuen Dienstes, den er dem König geleistet, des erlittenen Schadens, der Lebensgefahr, der er sich so oft ausgesetzt hatte, der geübten Großmut und vieler anderer Dinge, die er getan: und da ließ er sich endlich übermannen vom Unmut, er verlor den Zügel der Geduld und ließ sich hinreißen von seinem Selbstgefühl; er meinte, er sollte Ehre empfangen statt getadelt zu werden, statt des verdienten Lohnes aber werde ihm sein Amt genommen; unter bittern Vorwürfen beschwerte er sich über den König und nannte ihn undankbar, was bei den Persern für ein Majestätsverbrechen angesehen wird. Gerne wäre er vom Hofe weggegangen und hätte sich auf eines seiner Schlösser zurückgezogen; aber das war ihm nicht gestattet ohne Vorwissen und Urlaub des Königs, und er brachte es nicht übers Herz, diesen um eine Vergünstigung anzugehen.
    Dem König ward indessen alles gemeldet, was Ariabarzanes tat und was er sprach: er ließ ihn daher eines Tages rufen; und als er vor dem König stand, sagte Artaxerxes also zu ihm: »Ariabarzanes, deine verschiedenen Beschwerden, deine bittern Klagen, die du bald da, bald dort ausläßt, und dein fortwährender Unwille ist durch die Fenster meines Palastes zu meinen Ohren gedrungen, und ich habe Dinge von dir vernommen, die ich kaum geglaubt habe. Ich wünschte nun von dir selbst zu erfahren, was dich zu den Beschwerden bewogen hat; du weißt, in Persien ist eine Beschwerde über seinen König und vornehmlich seine Bezeichnung als undankbar kein geringeres Vergehen als der Tadel der unsterblichen Götter, weshalb die alten Gesetze verordnet haben, daß die Könige gleich den Göttern verehrt werden müssen. Unter den Sünden, die unsere Gesetze scharf bestrafen, ist die Sünde der Undankbarkeit diejenige, welche aufs allerschärfste geahndet wird. Wohlan, so sage mir nun, worin du von mir beleidigt worden bist! Denn obwohl ich König bin, darf ich doch niemandem ohne Grund eine Beleidigung zufügen; denn sonst hieße ich billig nicht König, was ich bin, sondern Tyrann, was ich niemals sein will.«
    Ariabarzanes war voll Unwillens, wich aber doch keinen Finger breit von seiner großartigen Gesinnung und bekannte frei alle Beschwerden, die er irgendwo gegen den König vorgebracht hatte. Darauf antwortete der König also: »Du kennst den Grund, Ariabarzanes, weshalb ich mich von Rechts wegen angetrieben fühlte, dir die Würde und das Amt des Seneschalls abzunehmen. Du wolltest mir die meinige nehmen. Meine Sache ist es, in allen meinen Angelegenheiten freigebig, großmütig, ritterlich zu sein, gegen jedermann Höflichkeit zu üben und mir meine Diener zu verpflichten, indem ich ihnen von meinem Eigentum mitteile und sie belohne, und zwar nicht immer, indem ich pünktlich die Handlungen abwäge, die sie in meinem Dienste und zu meinem Vorteil getan, sondern indem ich sie meist über Verdienst beschenke. Ich darf nie in den verdienstlichen Werken der Freigebigkeit die Hände verschlossen halten, nie mich müde zeigen, den Meinigen und Fremden Geschenke zu geben, wie es die Umstände erheischen; denn das ist das eigentümliche Amt jedes Königs und das meine insbesondere. Du aber, der du mein Knecht bist, suchst in gleichem Stile auf tausend Weisen durch deine Werke der Höflichkeit nicht mir zu dienen und das zu tun, was du mir als deinem Herrn gegenüber tun mußt, sondern du bemühst dich, mit deinen Handlungen mich auf unlösbare Weise an dich zu fesseln und zu machen, daß ich dir auf immer fest verpflichtet bleibe. Sage mir nun selbst, welchen Lohn könnte ich dir geben, welches Geschenk bieten, welchen Preis zuwenden, wobei mir der Ruhm der Freigebigkeit gesichert bliebe, wenn du mich vorher mit deiner Großmut so an dich gefesselt hast? Hohe und edelgesinnte Herren fangen dann an, einen Diener zu lieben, wenn sie ihn beschenken, wenn sie ihn erhöhen, und dabei wird immer darauf Rücksicht genommen, daß das Geschenk das Verdienst übertreffe; denn sonst wäre es keine Freigebigkeit noch Großmut. Der Besieger der Welt, Alexander der Große, nahm

Weitere Kostenlose Bücher