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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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stand er auf und sprach: »Ariabarzanes, es ist jetzt nicht Zeit, mit dir zu streiten; denn die Verhandlung und Aburteilung deiner Worte und Handlungsweise gegen mich übergebe ich dem ernsten Ermessen meiner Räte, die zu gelegener Zeit das Ganze nach den Gesetzen und Gebräuchen Persiens aburteilen werden. Es genüge mir für jetzt, daß ich geneigt bin, dir durch die Tat zu zeigen, daß das wahr ist, was du jetzt geleugnet hast; und du wirst es selbst mit eigenem Munde bekennen. Inzwischen begib dich hinweg nach deinen Schlössern und komm nicht wieder zu Hof, wenn ich dich nicht verlange!«
    Als Ariabarzanes diesen letzten Entschluß seines Gebieters vernommen, wandte er sich nach Hause und war mehr als zufrieden, sich auf das Land nach seinen Schlössern begeben zu dürfen, froh, nicht den ganzen Tag sich seinen Feinden gegenüber zu sehen, aber voll Unmut über die vom König ausgesprochene Überweisung seiner Angelegenheit an seinen Rat. Nichtsdestoweniger entschlossen, jedes Geschick über sich ergehen zu lassen, unterhielt er sich mit den Freuden und Zerstreuungen der Jagd.
    Er hatte nur zwei Töchter, die ihm seine verstorbene Gattin hinterlassen; beide galten für sehr schön, doch war die erste unvergleichlich schöner als die andere und nur um ein Jahr an Alter von ihr verschieden. Der Ruhm ihrer Schönheit flog durch ganz Persien, und es war darin kein so großer Baron, der sich nicht sehr gerne mit Ariabarzanes in Verwandtschaft gesetzt hätte. Er war nun etwa vier Monate auf einer seiner Burgen gewesen, die ihm besser als die andern gefiel wegen der daselbst herrschenden vollkommen guten Luft und ebenso, weil die schönsten Jagden mit Hunden wie mit Vögeln sich dort befanden. Da erschien daselbst plötzlich ein Herold des Königs, der zu ihm sprach: »Ariabarzanes, der König, mein Herr, befiehlt dir, daß du mit mir diejenige deiner Töchter an den Hof sendest, die die schönste von beiden ist!«
    Ariabarzanes konnte die Absicht des Königs bei diesem Befehle nicht ahnen, und die verschiedensten Gedanken kreuzten sich darüber in seinem Kopfe; er haftete dann bei einem, der ihm plötzlich einfiel, und beschloß, die jüngere zu senden, die, wie gesagt, der ältern an Schönheit nicht gleichkam. Nachdem er diesen Entschluß gefaßt hatte, suchte er seine Tochter auf und sprach zu ihr: »Liebe Tochter, mein König hat mir den Befehl zukommen lassen, ihm die schönste meiner Töchter zu senden; aber aus einem triftigen Grunde, den ich dir jetzt nicht sagen kann, will ich, daß du hingehest. Aber merke dir wohl und präge dir ein, ihm nie zu sagen, daß du die weniger schöne bist; denn wenn du schweigst, so wird es dir den größten Vorteil verschaffen; offenbarst du dich dagegen, so wäre es mir ein unersetzlicher Schaden und könnte mich vielleicht das Leben kosten. Auch wenn du fühlst, daß du schwanger bist, sagst du niemand etwas davon und läßt niemand deine Schwangerschaft merken. Erst wenn du ganz gewiß bist, schwanger zu sein, und deinen Leibesumfang so zunehmen siehst, daß sich die Sache nicht mehr verbergen läßt, dann magst du auf irgendeine dir passend scheinende Weise dem König zu wissen tun, daß deine Schwester viel schöner ist als du, und daß du die jüngere bist.«
    Das Mädchen war klug und verständig; sobald sie den Willen des Vaters gehört und seinen Plan eingesehen hatte, versprach sie, zu tun, was er ihr auftrug. So ward sie denn mit dem Herold in ehrenvollem Geleite an den Hof gebracht. Es war nicht schwer, den König und die andern zu täuschen; denn wenn auch die ältere noch weit schöner war, so war doch die Ungleichheit nicht so groß, daß, wenn nicht beide nebeneinander standen, die jüngere nicht für die schönste gelten konnte; auch waren sich ihre Züge so ähnlich, daß, wer nicht genauer mit ihnen bekannt war, nicht leicht merkte, welche die ältere sei. Ariabarzanes hatte sie überdies so zurückgezogen gehalten, daß man sie nur selten sehen konnte.
    Dem König war seine Frau schon vor einigen Jahren gestorben. Er beschloß daher, die Tochter des Ariabarzanes zur Frau zu nehmen, die, obschon nicht vom königlichen Geblüte, nichtsdestoweniger von sehr gutem Adel war. Sobald er sie sah und sie weit schöner fand, als er nach dem Gerücht angenommen hatte, verlobte er sich in Gegenwart seiner Barone feierlich mit ihr und ließ dem Ariabarzanes sagen, er solle ihm das Heiratsgut für die Tochter schicken, die er zu seiner Gemahlin erkoren. Als Ariabarzanes

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