Italienische Novellen, Band 1
eine reiche und mächtige Stadt ein, nach deren Besitze viele seiner Barone trachteten, und um die ihn die nämlichen baten, die sich um ihre Gewinnung mit ihren Waffen ehrenvoll bemüht und ihr eigenes Blut vergossen hatten; er wollte sie aber nicht denen geben, die durch ihre Verdienste darauf Anspruch machen konnten, sondern er rief einen armen Mann, der sich zufällig dort befand, und gab sie ihm, damit die von ihm geübte Freigebigkeit und Großmut an einem so gemeinen niedrigen Menschen desto heller und ruhmvoller strahle; denn von der einem solchen Menschen erwiesenen Wohltat kann nicht gesagt werden, sie gehe aus irgendwelcher Verbindlichkeit hervor, sondern man sieht deutlich, daß es die reine Freigebigkeit, reine Ritterlichkeit, reine Großmut, der reine Edelsinn ist, der aus einem großen und erhabenen Herzen hervorgeht. Ich sage darum nicht, daß man nicht einen treuen Diener belohnen solle; aber ich behaupte, daß der Lohn immer das Verdienst dessen übersteigen müsse, welcher dient. Nun also, wenn du Tag für Tag so viel Verdienst erwirbst, wie du tust, und fortwährend mich unendlich zu verbinden suchst durch deine schrankenlose Großmut wie bisher, so machst du mich machtlos, dir zu genügen, und sperrst mir den Weg für meine Freigebigkeit. Siehst du nicht, daß ich von dir überholt und mitten auf meiner gewohnten Bahn gehemmt bin, welche darin besteht, mir die Liebe, die Dankbarkeit und die Anhänglichkeit meiner Untergebenen durch Geschenke zu erwerben, indem ich ihnen täglich von dem Meinigen schenke, und, wenn einer durch seine Dienstleistungen ein Talent verdient, ihm zwei oder drei zu geben? Weißt du nicht, daß, je weniger von ihnen der Lohn erwartet wird, ich um so lieber ihn erteile, um so bereitwilliger sie erhöbe und ehre? Bestrebe dich also, Ariabarzanes, in Zukunft so zu leben, daß man dich als Knecht erkennt und mich, was ich auch bin, als Herrn! Alle Fürsten fordern meines Bedünkens zwei Dinge an ihren Dienern, Treue nämlich und Liebe; sind diese gefunden, so sorgen sie nicht weiter. Wer also wie du mit mir in Großmut wetteifern will, der wird finden, daß ich ihm am Ende wenig Dank weiß. Und außerdem will ich dir sagen, daß, wenn ich will, mir die Laune kommen kann, einem meiner Diener etwas von dem Seinigen zu nehmen und es zum Meinigen zu machen, ich aber dennoch von ihm und denen, die es sonst erfahren, großmütig und ritterlich genannt werden will. Und das sollst du mir nicht leugnen, sondern es freiwillig jedesmal bekennen, sooft es mir in den Sinn kommt, es zu tun.«
Hier schwieg der König, und Ariabarzanes antwortete sehr ehrerbietig, aber mit Großmut folgendermaßen: »Ich habe nie gesucht, unüberwindlichster König, Eure unendliche und unbegreifliche Großmut mit meinen Handlungen zu übertreffen oder ihr gleichzukommen; aber ich habe mich sehr bemüht, es dahin zu bringen, daß Ihr und die ganze Welt deutlich erkennt, wie ich nichts anderes so sehr wünsche als Eure Gnade; und verhüte Gott, daß ich je in die große Verirrung versinke, als könne ich mit Eurer Größe wetteifern! Wer wird auch sein Licht neben die Sonne stellen wollen? Wohl schien es mir und scheint mir noch meine Pflicht zu sein, daß ich nicht nur mit diesen Glücksgütern zu Eurer Ehre und in Eurem Dienst freigebig sein muß, da ich sie ja von Euch erhalten habe, sondern daß es auch zum Frommen Eurer Krone ausschlägt, daß ich mit diesem meinem Leben nicht nur nicht sparsam, sondern selbst verschwenderisch umgehe. Und wenn Ihr meintet, ich habe versucht, um gleiche Großmut mit Euch zu wetteifern, so mußtet Ihr doch denken, ich tue es, um Eure Gnade vollkommener zu haben und damit ich Euch Tag für Tag mehr bestimme, mich zu lieben; denn als Ziel jedes Dieners ist mir erschienen, mit aller Macht die Liebe und Gunst seines Herrn zu suchen. Jetzt aber, unüberwindlichster König, muß ich gegen alle meine Vermutung sagen, das, daß ich nach Eurem Zugeständnis großmütig, edel, hochherzig gewesen bin, verdiene Tadel und Strafe und Eure Ungnade, wie an mir das, was Ihr getan habt, klärlich zeigt; wie sehr ich auch entschlossen bin, in meinem, wie mir scheint, ehrenvollen und löblichen Vorsatze zu leben und zu sterben; wenn mir aber ein Gebieter mein Eigentum nimmt, dessen Schuldigkeit es ist, mir von dem Seinigen mitzuteilen, und ich soll sagen, er sei freigebig und großmütig und das sei wohlgetan, so werde ich mich dazu nie verstehen.«
Als der König diese letzten Worte hörte,
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