Italienische Novellen, Band 1
Sie war aber sehr keusch und ehrbar und liebte ihren Gatten im höchsten Grade, und sie machte daher Girolamo ein ebenso freundliches oder nicht freundliches Gesicht wie im allgemeinen jedem Bürger oder Fremden, der sie ansah, und pflegte sich zu stellen, als kenne sie ihn gar nicht. Seine Leidenschaft entflammte sich aber mehr und mehr, und er verlor ganz die Freiheit, wie einer, dem der Pfeil der Liebe das Herz getroffen hat, und er konnte auf nichts anderes seine Gedanken wenden als auf sie. Die zwei Freundinnen waren gewohnt, täglich zur Messe zu gehen, und zwar meist nach der Kirche San Fantino, weil diejenigen, welche später aufstanden, dort bis Mittag immer eine Messe fanden. Sie hielten sich dann jederzeit in einer kleinen Entfernung von einander, und ihre beiden Liebhaber fanden sich fortwährend auch ein und gingen der eine da, der andere dort umher, so daß sie beide für eifersüchtige Ehemänner verrufen wurden, da man sie so hinter ihren Frauen herkommen sah, während doch beide nur bemüht waren, einander auf die Festung Hornberg zu bringen.
Es begab sich nun, daß die beiden getreuen Milchschwestern, von denen bis jetzt noch keine das Geheimnis der andern ahnte, sich vornahmen, einander diese ihre Eroberungen mitzuteilen, damit diese nicht etwa im Verlaufe der Zeit dem zwischen ihnen bestehenden guten Einvernehmen eine Störung bereiteten. Dieser beiderseitige Beschluß führte sie eines Tages, als ihre Männer beide ausgegangen waren, an der gewohnten Stelle an dem Gartenzaun zusammen. Als sie sich trafen, lachten sie einander zu gleicher Zeit ins Gesicht, und nach den gewohnten freundlichen Begrüßungen nahm Madonna Luzia folgendermaßen zuerst das Wort: »Meine liebe Schwester Isotta, du weißt noch gar nicht, daß ich dir eine allerliebste Geschichte von deinem Herrn Gemahl zu hinterbringen habe.«
»Und ich«, fiel Madonna Isotta sogleich ein, »habe dir ein Abenteuer von dem deinigen zu erzählen, das dich in nicht geringes Erstaunen, wo nicht gar in gewaltigen Zorn versetzen wird.«
»Was ist es denn«? sprach eine zu der andern. Und am Ende erzählte jede, was ihr Gatte im Schilde führte. Obgleich voll Unwillens gegen ihre Gatten, mußten sie doch hierüber sehr lachen. Sie waren freilich der Meinung (und mit vollem Recht), sie seien vollkommen hinreichend und passend, um die Wünsche ihrer Männer zu befriedigen; daher fingen sie an, diese zu schmähen, und behaupteten, sie verdienten es, daß ihnen Hörner wachsen, wenn sie ebenso unehrbare Frauen wären, wie sie unvorsichtige und pflichtvergessene Männer.
Nachdem sie nun hierüber viel hin und her geredet hatten, beschlossen sie unter sich, es sei das Geratenste, gemeinschaftlich abzuwarten, wie ihre Männer ihre Absichten weiter verfolgen werden. Sobald sie dann unter sich verabredet hatten, wie es wohl am passendsten wäre, sich zu verhalten, auch wie sie sich täglich über alles Vorfallende in Kenntnis setzen wollten, ließen sie es ihre erste Sorge sein, ihre Liebhaber mit schmachtenden und verliebten Blicken enger in ihr Garn zu locken und mit falschen Hoffnungen auf ihre Gunst zu erfüllen. Sie gingen daher aus den Gärten hinweg, und wenn sie in San Fantino oder in Venedig selbst zufällig einen erblickten, schlugen sie mit lächelnder Miene, lustig und keck, ihren Schleier beiseite. Als nun die zwei Liebenden sahen, welche freundlichen Gesichter ihnen ihre Geliebten machten, meinten sie, da kein Mittel sei, mit ihnen zu reden, müßten sie zu Briefen ihre Zuflucht nehmen. Sie suchten daher gewisse Botinnen, an denen unsere Stadt immer sehr großen Überfluß hat, und jeder schrieb der seinigen einen Liebesbrief des Inhalts, daß jeder aufs höchste wünsche, zu geheimer Unterredung sich mit der seinen zusammenzufinden. Nach wenigen Tagen, fast gleichzeitig, schickten sie die Briefe ab. Die verschlagenen Frauen nahmen die Briefe an, erwiesen sich aber anfangs gegen die Kupplerinnen etwas spröde; nach gegenseitiger Übereinkunft jedoch erteilten sie ihnen eine Antwort, welche mehr Hoffnung als das Gegenteil enthielt.
Sie hatten einander die Briefe, sobald sie eingelaufen waren, gezeigt und viel darüber gelacht. Sie dachten, ihr Plan gelinge ihnen vortrefflich; jede behielt den Brief ihres Gatten für sich, und sie verabredeten, ohne daß eine der andern zu nahe trete, durch eine köstliche List ihre Männer zu verführen. Und hört nun, auf welche Weise! Sie beschlossen nämlich, sich erst gehörig von ihnen bitten zu
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