Italienische Novellen, Band 1
vielleicht hätte ich durch eine so vornehme Vermählung mich in Stolz erhoben, wäre hochmütig geworden, hätte diesen und jenen verachtet und vielleicht Gottes Güte gegen mich weniger erkannt. Möge darum Gott mit mir tun, was ihm gefällt, und mir verleihen, daß diese meine Trübsal zu meinem Seelenheil gereiche! Ich bete zu ihm inbrünstig, daß er dem Herrn Timbreo die Augen öffne, nicht damit er mich wieder als seine Braut annehme, – denn ich fühle mehr und mehr mich dem Tode nahe –, sondern damit er, der auf meine Treue wenig gibt, mit aller Welt erkenne, daß ich niemals die Torheit und den schmählichen Fehltritt begangen habe, dessen man mich ohne allen Grund zeiht, damit, wenn ich auch mit diesem Schandfleck sterbe, ich doch in einiger Zeit gerechtfertigt erscheine. Möge er sich einer andern Frau erfreuen, der Gott ihn bestimmt hat, und lange in Frieden mit ihr leben! Mir werden in wenigen Stunden ein paar Fuß Erde genügen. Mein Vater und meine Mutter und alle unsere Verwandte und Freunde mögen in diesem Unglück sich wenigstens dies zu einigem Trost gereichen lassen, daß ich der Schande völlig unschuldig bin, die man mir aufgebürdet, und mein Wort zum Pfande nehmen, das ich ihnen gebe, wie es einer gehorsamen Tochter Pflicht ist; denn ein besseres Zeugnis oder Pfand kann ich für jetzt in aller Welt nicht bieten. Mein Trost ist, daß ich vor dem gerechten Richterstuhl Christi dereinst von dieser Schande werde freigesprochen werden. Und somit befehle ich dem, der sie mir gab, meine Seele, die, diesen irdischen Kerker zu verlassen begierig, den Weg zu ihm antritt.«
Bei diesen Worten nahm die Gewalt des Schmerzes, der ihr Herz beklemmte, überhand und drängte sie so sehr, daß sie bei dem Versuche, ich weiß nicht was noch hinzuzufügen, anfing die Sprache zu verlieren und nur halbe Worte stammelte, die niemand verstand. Zugleich übergoß ein kalter Schweiß alle ihre Glieder, so daß sie mit gefalteten Händen wie tot zurücksank. Die noch anwesenden Ärzte vermochten wider diesen heftigen Anfall durchaus keine Hilfe zu leihen, verließen sie endlich für tot und entfernten sich mit der Erklärung, die Heftigkeit ihres Schmerzes sei so groß gewesen, daß er ihr das Herz abgedrückt habe. Bald darauf war Fenicia in den Armen ihrer Freundinnen und Eltern kalt geworden, ihr Puls stand still, und alle hielten sie für tot. Man ließ einen der Ärzte zurückkommen, und er erklärte, als er keinen Puls mehr verspürte, sie sei tot. Wie viele herzbrechende Klagen, wie viele Tränen, wie viele jammervolle Seufzer nun um sie ausgestoßen wurden, das lasse ich euch bedenken, mitleidige Frauen! Der arme weinende Vater, die trostlose sich das Haar zerraufende Mutter hätten Steinen Tränen entlocken können. Alle anderen Frauen sowie alle Anwesenden überhaupt erhoben ein erbärmliches Geschrei.
Schon waren fünf bis sechs Stunden seit dem Tode verflossen, und nun ordnete man das Begräbnis auf den folgenden Tag an. Die Menge der Frauen hatte sich verlaufen, und die Mutter, mehr tot als lebendig, behielt nur eine Schwägerin, die Frau eines Bruders des Herrn Lionato, bei sich. Sie waren nun beide allein und wollten sonst niemand bei sich, ließen Wasser ans Feuer stellen, schlossen sich in dem Zimmer ein, entkleideten Fenicia und fingen an, sie mit warmem Wasser zu waschen. Schon seit etwa sieben Stunden hatten die erschöpften Lebensgeister Fenicias gestockt, als die erkalteten Glieder bei dem Waschen mit warmem Wasser zu ihren Verrichtungen zurückkehrten und das Mädchen deutliche Lebenszeichen von sich zu geben und selbst die Augen ein wenig zu öffnen begann. Die Mutter und die Schwägerin waren nahe daran, laut aufzuschreien; aber doch ermutigten sie sich, legten ihr die Hand an ihr Herz und spürten darin einige Bewegung. Darum zweifelten sie nicht länger, daß das Kind lebe. Mit warmen Gewändern und andern Reizmitteln, die sie ohne Geräusch beibrachten, bewirkten sie es endlich, daß Fenicia fast ganz zum Bewußtsein zurückkehrte, die Augen völlig aufschlug und nach einem schweren Seufzer begann: »Weh mir, wo bin ich?«
»Siehst du nicht«, sagte die Mutter, »daß du bei mir bist und bei deiner Muhme? Du hattest eine so heftige Ohnmacht, daß wir dich für tot hielten; aber Gott sei gelobt, daß du am Leben bist!«
»Ach, wie viel besser«, antwortete Fenicia, »wäre es, wenn ich wirklich gestorben und so vielem Jammer entgangen wäre!«
»Mein liebes Kind«, sagte die Mutter
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