Italienische Novellen, Band 1
Verrat, die anzugreifen, die sich auf sein Ehrenwort verließen. Voll Zorn, Groll, Wut und Grimm, die ihm das Herz verzehrten, beschloß er also, den Ausgang der Sache abzuwarten.
Sobald die drei unter den Fenstern des Palastes des Herrn Lionato angekommen waren, setzten sie an dem beschriebenen Flügel die Leiter ganz leise an dem Balkon an, und der eine, der den Liebhaber vorstellte, stieg hinauf und sprang hinein, als wäre er gutes Empfanges gewiß. Als der trostlose Herr Timbreo das sah, hielt er es für ausgemacht, daß jener, der die Leiter erstiegen hatte, hingehe, um bei Fenicia zu schlafen, und von dem heftigsten Schmerz ergriffen, fühlte er sich einer Ohnmacht nahe. Aber sein, wie er glauben mußte, gerechter Unwille vermochte ihn, alle Eifersucht zu verbannen und die glühende reine Liebe, die er zu Fenicia trug, nicht allein in Kälte, sondern in grausamen Haß zu verwandeln. Er wollte nun die Rückkehr seines Nebenbuhlers aus seinem Versteck nicht mehr abwarten, sondern begab sich nach seiner Wohnung zurück.
Der junge Mann, der ihn weggehen gesehen und genau erkannt hatte, dachte sich das von ihm, was in der Tat auch der Fall war. Er gab daher bald darauf ein gewisses verabredetes Zeichen, worauf der Diener die Leiter wieder herabstieg und alle drei nach der Wohnung des Herrn Girondo zurückgingen. Diesem gewährte die Erzählung von diesem Vorgange die äußerste Freude, denn schon träumte er sich im Besitz der schönen Fenicia.
Herr Timbreo, der die übrige Nacht gar wenig geschlafen hatte, stand zu früher Stunde auf, ließ unverzüglich den Messiner Bürger zu sich kommen, durch dessen Vermittelung er um Fenicias Hand bei ihrem Vater angehalten hatte, und trug ihm sein gegenwärtiges Verlangen an ihn vor. Dieser, von dem Willen und der Gesinnung des Herrn Timbreo vollkommen unterrichtet, ging, wiewohl ungern, um die Zeit des Frühmahls zu Herrn Lionato, der in dem Saale auf und ab ging, bis das Frühstück vollends bereit wäre, und wo sich auch die unschuldige Fenicia befand, die in Gesellschaft ihrer beiden jüngern Schwestern und ihrer Mutter mit einer Seidenstickerei beschäftigt war. Als der Bürger zu ihnen kam, ward er von Lionato sehr artig empfangen und sprach: »Herr Lionato, ich habe einen Auftrag an Euch, an Eure Frau und an Fenicia vom Herrn Timbreo.«
»Seid mir willkommen«, antwortete er; »und was ist es? Frau und du, Fenicia, kommt und vernehmt mit mir, was uns Herr Timbreo sagen läßt!«
Hierauf fuhr der Bote folgendermaßen zu reden fort: »Man pflegt gemeinhin zu sagen, daß ein Botschafter für die Erfüllung seines Auftrags nicht leiden soll. Ich komme zu Euch im Auftrage eines andern, und es schmerzt mich unendlich, daß ich Euch etwas Unangenehmes zu hinterbringen habe. Herr Timbreo von Cardona läßt Euch, Herr Lionato, und Eurer Gattin sagen, daß Ihr Euch einen andern Eidam suchen möchtet, dieweil er nicht gedenkt, Euch zu Schwiegereltern zu nehmen, nicht etwa, weil er etwas gegen Euch habe, die er für treu und redlich halte und ansehe, sondern vielmehr, weil er mit seinen eigenen Augen von Fenicia gesehen, was er ihr nimmermehr zugetraut hätte. Darum läßt er Euch freie Wahl, Eure Angelegenheiten zu bedenken. Dir, Fenicia, läßt er sagen, daß die Liebe, die er zu dir getragen, den Dank nicht verdient habe, der ihm von dir geworden sei; du mögest dir einen andern Mann suchen, wie du dir einen andern Liebhaber erwählt hast, oder den nehmen, dem du dein Magdtum gegönnt; denn er verzichtet auf alle Gemeinschaft mit dir, nachdem du ihn eher zum Hahnrei als zum Gemahl gemacht hast.«
Fenicia war halbtot vor Schrecken über diese bittere und schmähliche Botschaft; desgleichen Herr Lionato und seine Gattin. Bald aber kam dieser wieder zu Mut und Atem, der ihm vor Schreck fast ausgegangen war, und Herr Lionato sprach zu dem Boten: »Bruder, ich zweifelte immer gleich von Anfang, als Ihr mir von dieser Heirat spracht, daß es dem Herrn Timbreo rechter Ernst mit seinem Antrage sei; denn ich wußte und weiß wohl, daß ich ein armer Edelmann und nicht seinesgleichen bin. Nichtsdestoweniger denke ich, wenn es ihn reute, meine Tochter zur Frau zu nehmen, hätte es ihm genügen sollen, einfach frei heraus zu sagen, er wolle sie nicht, anstatt ihr, wie er gegenwärtig tut, den Schandfleck der Hurerei anzuhängen. Es ist allerdings wahr, daß in der Welt kein Ding unmöglich ist; aber ich weiß, wie ich meine Tochter erzogen habe, und welche Sitten ihr eigen sind.
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