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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Gott der gerechte Richter wird, hoffe ich, eines Tages die Wahrheit an den Tag bringen.«
    Mit dieser Antwort entfernte sich der Bürger, und Herr Lionato blieb bei der Meinung, Herr Timbreo bereue es, diese Verbindung einzugehen, und halte jetzt dafür, er würde sich vielleicht allzusehr erniedrigen und gegen seine Vorfahren aus der Art schlagen. Herrn Lionatos Geschlecht war zwar vom ältesten und besten Adel in Messina und wurde hoch geehrt; aber sein Vermögen war nur das eines gewöhnlichen Edelmanns, obwohl die alte Erinnerung da war, daß seine Vorfahren viele Güter und Schlösser mit der ausgedehntesten Gerichtsbarkeit besaßen. Da nun der gute Vater von seiner Tochter nie das mindeste Unehrbare gesehen hatte, konnte er nicht anders glauben, als daß der Ritter angefangen habe, sich ihrer derzeitigen Armut und Einschränkung zu schämen. Fenicia auf der andern Seite, der aus übermäßigem Leid und aus Herzensangst unwohl geworden war, da sie sich so höchst ungerecht beschuldigen hörte, kam als ein zartes und weichliches Kind, das nicht an die Schläge des Unglücks gewöhnt war, ganz außer sich und würde sich lieber tot als lebendig gesehen haben. Von heftigem und durchdringendem Schmerz erfaßt, sank sie ohnmächtig zu Boden, verlor plötzlich ihre natürliche Farbe und glich viel mehr einem Marmorstandbild als einem lebenden Wesen; daher wurde sie mühsam auf ein Bett getragen, und daselbst wurden mit warmen Tüchern und andern Heilmitteln nach kurzem ihre erschöpften Lebensgeister wieder zurückgerufen.
    Da man nach den Ärzten geschickt hatte, verbreitete sich das Gerücht durch Messina, wie Fenicia, die Tochter des Herrn Lionato, so schwer erkrankt sei, daß man für ihr Leben fürchte. Auf diese Nachricht kamen viele verwandte und befreundete Edelfrauen, die jammernde Fenicia zu besuchen, welche sich, da sie den Grund ihres Übels erfuhren, alle Mühe gaben, sie, so gut sie konnten, zu trösten. Und wie es unter so vielen Frauen zu geschehen pflegt, besprachen sie den beklagenswerten Vorfall nach allen Seiten hin ausführlich; aber alle stimmten darin überein, den Herrn Timbreo mit dem bittersten Tadel zu belegen. Die meisten saßen im Kreise um das Bett des kranken Fräuleins, als Fenicia, die alles, was gesagt worden war, wohl verstanden hatte, wieder ein wenig Atem schöpfte, und da sie sah, daß fast alle aus Mitleid mit ihr weinten, sie mit schwacher Stimme bat, sämtlich zu schweigen. Darauf sprach sie wie verschmachtend also: »Verehrte Mütter und Schwestern, trocknet nunmehr die Tränen, dieweil sie euch nichts frommen und mir nur meinen Schmerz erneuern, ohne in der Sache etwas zu bessern. So ist es nun der Wille unseres Herrgotts, und ich muß mich in Geduld darein fügen. Das herbe Leid, das ich fühle, und das mir allmählich den Faden meines Lebens zernagt, rührt nicht daher, daß ich verschmäht wurde, wie unendlich schmerzlich mir dies auch ist; sondern die Art und Weise, wie dies geschehen, ist es, was mich in tiefster Seele krankt und mich hilflos darniederwirft. Herr Timbreo konnte frei heraus sagen, er wolle mich nicht zur Gattin, und alles war gut; bei der Art aber, mit der er mich verstieß, weiß ich, daß ich bei allen Messinern ewige Schmach auf mich geladen habe wegen einer Sünde, die ich niemals, geschweige beging, nein, an deren Begehen ich nicht einmal je dachte; dessenungeachtet wird man immer auf mich als eine Metze mit Fingern weisen. Ich habe immer eingestanden und gestehe von neuem, daß mein Rang dem eines solchen Ritters und Freiherrn, wie Herr Timbreo, nicht gleichkommt, und daß auf eine so hohe Heirat Anspruch zu machen das geringe Vermögen der Meinigen mich nicht berechtigt. Was aber den Adel und das Alter des Geblüts betrifft, so kennt man die Lionati als eines der ältesten und edelsten Geschlechter dieser Insel, indem wir von einer sehr edeln römischen Familie abstammen, die schon vor der Menschwerdung unseres Herrn Jesu Christi bestand, wie man durch sehr alte Urkunden beweisen kann. Ich sage nun zwar, daß ich um meiner Armut willen eines solchen Ritters unwürdig bin; aber ich sage auch, daß er mich auf die unwürdigste Weise verschmäht hat: denn es ist höchst klar, daß ich nie daran gedacht habe, einem andern das zu geben, was dem Gatten aufbewahrt werden soll. Gott weiß, daß ich die Wahrheit sage, und sein heiliger Name sei gepriesen und gefeiert! Wer weiß, ob nicht der Allerhöchste durch dieses Mittel mich zu erlösen gedenkt? Denn

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