Italienische Novellen, Band 1
ist's?«
»Schlimm ist's bei mir«, antwortete der Gatte, »denn ich bin ganz zermalmt.«
»Wehe mir«, sagte die Frau, »hat der verschlagene Bube gar gewagt, Hand an dich zulegen? Gott straf' ihn und send' ihm die Pest!«
»Klage nicht«, antwortete der Mann; »ich bin ihm so gut und besser als mir selber.«
Die Frau fragte: »Wie kannst du ihn lieber haben als dich selber, wenn du sagst, er habe dich ganz zermalmt?«
Sie stand auf, zündete ein Licht an und untersuchte ihm Schultern und Arme, welche ganz blau waren von den Schlägen, die er bekommen hatte. Die Frau stellte sich daher an, als wollte sie aufschreien.
»Sei still!«, rief ihr Mann, »laß mich kein Geschrei vernehmen! Wenn er mich totgeschlagen hätte, so ließe ich mir's gefallen nach dem, was er zu mir sagte.«
»Gewiß«, fügte die Frau bei, »wird er nun nicht länger im Hause bleiben.«
Der Mann aber sagte: »Hüte dich, so lieb dir dein Leben ist, ihm etwas zu sagen! Ich befehle dir vielmehr, ihn Tag und Nacht in deine Schlafkammer zu lassen nach seinem Belieben, da ich bemerkt habe, daß er mich aufrichtig lieb hat. Fürwahr, er soll nicht aus meinem Hause kommen, denn ich glaube, es hat nie ein treuerer Diener auf dieser Welt gelebt.«
Am folgenden Morgen ließ Lapo den Ceccolo rufen und sagte: »Ich will, daß du dies als dein Haus betrachtest. Verlaß dich darauf, hier zu leben und zu sterben, und du magst in allen Zimmern aus und ein gehen nach deinem Belieben; denn ich hatte nie einen Diener, dem ich mehr zugetan war als dir.«
»Messere«, antwortete Ceccolo, »in allem, was ich getan habe oder tun werde, soll Liebe und Treue mich leiten.« Lapo versetzte: »Das bin ich versichert.«
Nun blieb Ceccolo lange Zeit im Hause; er und die Frau pflogen größter Lust und Freude zusammen, und Lapo hegte nie den mindesten Verdacht. Ging er über Feld, so befahl er immer dem Ceccolo seine Frau. So konnten diese lange Zeit alle ihre Wünsche erfüllen, und wenn auch öfters durch eine Stubenfrau Lapo hinterbracht wurde, daß jener ihm Schande antue, so wollte er es doch niemals glauben. Vielmehr sagte er öfters: »Wenn ich ihn auf ihr fände, so glaubte ich's nicht.«
So genossen Ceccolo und die Frau ihr Glück ihr Leben lang und hatten die Freude und Wonne dieser Welt.
Der Kaufmann von Venedig
(Shakespeare, Der Kaufmann von Venedig)
Im Hause der Scali in Florenz befand sich ein Kaufmann namens Bindo, welcher oftmals in Tana und in Alexandrien gewesen war und alle jene großen Reisen gemacht hatte, die man des Handels wegen zu machen pflegt. Dieser Bindo war ziemlich reich und hatte drei erwachsene Söhne. Als er zu sterben kam, rief er den ältesten und den mittlern zu sich, machte in ihrer Gegenwart sein Testament und setzte sie beide zu Erben seiner ganzen irdischen Habe ein, während er dem jüngsten nichts hinterließ. Sobald das Testament fertig war, kam der jüngste Sohn, Giannetto mit Namen, welcher davon gehört hatte, zu ihm an das Bett und sagte zu ihm: »Mein Vater, ich wundere mich sehr über das, was Ihr getan habt, indem Ihr meiner in Eurem Testamente gar nicht gedachtet.«
Der Vater antwortete: »Mein Giannetto, ich liebe niemand auf Erden mehr als dich; und darum wünsche ich nicht, daß du nach meinem Tode hier bleibest; vielmehr sollst du, sobald ich gestorben bin, nach Venedig gehen zu einem deiner Taufpaten, dem Herrn Ansaldo, welcher keinen Sohn hat und mir schon mehrmals geschrieben hat, ich solle dich ihm schicken. Ich kann dir sagen, daß er der reichste Kaufmann ist, welcher heutzutage in der ganzen Christenheit lebt. Darum ist es mein Wille, daß du, sobald ich gestorben bin, zu ihm gehst und ihm diesen Brief bringst; und wenn du es recht anzugreifen weißt, wirst du ein reicher Mann werden.«
Da sprach der Sohn: »Mein Vater, ich bin bereit, zu tun, was Ihr mir befehlet.«
Darauf gab ihm der Vater seinen Segen, und wenige Tage darauf verschied er. Alle seine Söhne erhoben hierüber den heftigsten Jammer und erwiesen dem Leichnam die gebührende Ehre. Wenige Tage später riefen die zwei ältern Brüder den Giannetto zu sich und sagten zu ihm: »Du bist unser Bruder; unser Vater hat zwar ein Testament gemacht und uns zwei zu seinen Erben eingesetzt, ohne deiner irgend zu erwähnen. Nichtsdestoweniger bist du gleichfalls unser Bruder, und darum sollst du jetzt, so gut als wir, an dem Vorhandenen teilhaben.« Giannetto antwortete: »Liebe Brüder, ich danke euch für euer Anerbieten. Aber was mich
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