Italienische Novellen, Band 1
Tage hin. Da geschah es eines Morgens vor Tag, daß der besagte Giannetto einen Meerbusen mit einem sehr schönen Hafen wahrnahm und den Schiffspatron fragte, wie dieser Hafen heiße. Er antwortete ihm: »Herr, dieser Ort gehört einer Witwe an, die schon viele edle Männer zugrunde gerichtet hat.«
Giannetto fragte: »Wie das?«
»Herr«, antwortete jener, »es ist ein schönes, reizendes Weib, die das Gesetz befolgt, daß jeder, der dorthin kommt, bei ihr schlafen muß, und wenn er mit ihr zu schaffen bekommt, so muß er sie zur Frau nehmen und wird Besitzer des Hafens und des ganzen Landes; bringt er sie aber nicht unter sich, so verliert er alles, was er hat.«
Giannetto dachte ein wenig still bei sich nach und sagte sodann: »Sieh zu, wie du es machst, daß du mich in den Hafen führst!«
Der Patron antwortete: »Herr, bedenkt, was Ihr sagt! Viele sind schon hineingegangen und dadurch auf immer elend geworden.«
Giannetto aber sagte: »Mische dich nicht in fremde Dinge, sondern tue, was ich dir sage!«
So geschah es denn, daß sie plötzlich das Schiff wendeten und in den Hafen einfuhren, ohne daß ihre Gefährten auf den andern Schiffen etwas davon merkten. Am Morgen verbreitete sich nun die Nachricht, wie dieses schöne Schiff in den Hafen gekommen sei, so daß alles Volk herbeilief, es zu sehen, und der Frau sogleich darüber Meldung geschah. Sie schickte daher zu Giannetto, der unverzüglich zu ihr ging und sie ehrerbietig begrüßte. Sie nahm ihn bei der Hand, fragte ihn, wer er sei, woher er komme und ob er die Sitte des Landes wisse. Giannetto bejahte es und sagte, er sei gerade aus diesem Grunde gekommen.
»So seid mir denn hundertmal willkommen«, sagte sie, und erwies ihm den ganzen Tag die größte Ehre und ließ viele Barone, Grafen und Ritter einladen, welche sie unter sich hatte, damit sie ihm Gesellschaft leisteten. Allen Baronen gefiel das Betragen Giannettos sehr sowie auch sein gesittetes, einnehmendes und gesprächiges Wesen, so daß fast jeder sich in ihn verliebte. Den ganzen Tag wurde am Hofe getanzt und gesungen und geschmaust dem Giannetto zu Ehren, und jedem wäre es recht gewesen, ihn zum Gebieter zu bekommen.
Als nun der Abend kam, nahm ihn die Frau bei der Hand, führte ihn in ihr Schlafgemach und sagte: »Ich glaube, es ist nun Zeit, zu Bett zu gehen.«
Giannetto antwortete:» Edle Frau, ich bin zu Euren Diensten.«
Alsbald kamen zwei Jungfrauen, die eine mit Wein, die andere mit Zuckerbackwerk.
»Ich weiß«, sagte die Frau, »Ihr werdet Durst bekommen haben. Darum trinkt!«
Giannetto nahm von den Süßigkeiten und trank von dem Wein, der, ohne daß jener es wußte, so bereitet war, daß er schlafen machte; er trank davon eine halbe Schale denn er schmeckte ihm; darauf zog er sich sogleich aus und legte sich nieder. Kaum aber hatte er das Bett erreicht, so war er schon eingeschlafen. Die Frau legte sich ihm zur Seite nieder; er merkte es aber nicht bis zum Morgen, als schon die Terzie vorüber war. Darum stand die Frau auf, als es Tag wurde, und ließ anfangen, das Schiff auszuladen, welches sie voll von verschiedenen kostbaren und trefflichen Waren fand. Als nun die Terzie vorüber war, gingen die Kammerfrauen der Dame an das Bett Giannettos, hießen ihn aufstehen und gaben ihm die Weisung, seiner Wege zu gehen, denn er habe das Schiff und alles, was darauf sei, verloren. Darüber schämte er sich, denn er meinte, seine Sachen schlecht gemacht zu haben. Die Frau ließ ihm ein Pferd geben und Geld zur Reise, und so zog er traurig und betrübt von hinnen und wandte sich nach Venedig; daselbst angelangt mochte er aber aus Scham nicht nach Hause gehen, sondern begab sich in der Nacht zu einem seiner Kameraden, der sich sehr verwunderte und sprach:
»Wehe, Giannetto! Was ist das?«
Dieser erwiderte: »Mein Schiff scheiterte eines Nachts an einer Klippe, so daß alles zerborst und zerschellte und nach allen Seiten hin getrieben wurde. Ich hielt mich an ein Stück Holz, das mich an das Ufer trieb. So bin ich gerettet worden und hierher gekommen.«
Giannetto blieb einige Tage in dem Hause dieses seines Freundes, der sodann einmal dem Herrn Ansaldo einen Besuch machte, ihn aber sehr niedergeschlagen antraf. Herr Ansaldo sagte: »Ich fürchte so sehr für das Leben meines lieben Sohnes, oder daß ihm zur See ein Unglück zugestoßen sei, und ich kann weder Rast noch Ruhe finden, so groß ist die Liebe, die ich zu ihm trage.«
Jener Jüngling erwiderte: »Ich kann Euch von ihm
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