Italienische Novellen, Band 1
Junker und Knappen nach ihm aus, die ihn mit großer Feierlichkeit empfingen, und er selbst begegnete ihnen freundlich und heiter. Und so kam er hinauf in die Burg und vor das Angesicht der Frau. Als sie ihn erblickte, umarmte sie ihn mit großer Lust und Freude, und er umarmte sie wieder mit vieler Ehrerbietigkeit. So verbrachten sie den ganzen Tag in Lust und Wonne, denn die Frau ließ Barone und Frauen in Menge einladen, die an den Hof kamen, um dem Giannetto zuliebe eine Festlichkeit zu veranstalten. Fast allen Baronen tat es leid um ihn, und sie hätten ihn gern zu ihrem Herrn gehabt wegen seines einnehmenden höflichen Wesens, und fast alle Frauen waren in ihn verliebt, als sie sahen, wie zierlich er sich beim Tanze bewegte und sein Gesicht immer heiter glänzte, so daß jeder meinte, er müsse der Sohn irgendeines großen Herrn sein.
Als aber die Dame sah, daß es Zeit war schlafen zu gehen, nahm sie Giannetto bei der Hand und sagte: »Gehen wir zur Ruhe!«
Darauf gingen sie in die Kammer, setzten sich nieder, und siehe, da kamen zwei Jungfrauen mit Wein und süßem Backwerk; sie tranken und aßen und gingen darauf zu Bette. Sobald er aber im Bette war, schlief er auch ein. Die Frau zog sich aus, legte sich neben ihm nieder, und kurz, er kam nicht wieder zu sich die ganze Nacht. Als der Morgen kam, stand die Frau auf und befahl sogleich, das Schiff abfrachten zu lassen. Sobald nun die Terzie vorüber war, kam Giannetto wieder zu sich und suchte nach der Frau und fand sie nicht. Er fuhr mit dem Kopf in die Höhe und sah, daß es heller Tag war. Deshalb stand er sogleich auf und fing an, sich sehr zu schämen. Dann gab man ihm wieder ein Pferd und Geld auf die Reise und sagte zu ihm: »Geh deiner Wege!«
Voll Beschämung zog er von dannen, traurig und niedergeschlagen, ruhte aber nicht eher, bis er nach vielen Tagereisen in Venedig ankam, wo er bei Nacht in das Haus jenes seines Freundes eintrat, der bei seinem Anblick sich auf das äußerste verwunderte und sprach: »Weh mir, was ist das?«
Giannetto antwortete: »Das bin ich Unglücklicher! Verwünscht sei mein Schicksal, das mich jemals in dieses Land kommen ließ!«
Darauf erwiderte jener Freund: »Du hast wohl Ursache, es zu verwünschen, denn du hast den Herrn Ansaldo zugrunde gerichtet, der der größte und reichste Kaufmann in der Christenheit war, und die Schande ist noch schlimmer als der Schaden.«
Giannetto blieb mehrere Tage in dem Hause dieses seines Freundes verborgen und wußte nicht, was er tun noch was er sagen sollte; ja, er war fast willens, nach Florenz zurückzukehren, ohne Herrn Ansaldo ein Wort davon zu sagen. Am Ende aber entschloß er sich doch, zu ihm zu gehen, und so tat er auch.
Als Herr Ansaldo ihn erblickte, sprang er auf, stürzte ihm entgegen, umarmte ihn und rief: »Sei mir willkommen, mein Sohn!«
Und Giannetto umarmte ihn unter Tränen. Als er alles vernommen hatte, sagte Herr Ansaldo: »Weißt du was, Giannetto? Mache dir darüber nur gar keinen Kummer! Da ich nur dich wieder habe, bin ich zufrieden. Es bleibt uns ja noch so viel übrig, daß wir gemächlich leben können. Es ist nun so des Meeres Brauch, dem einen zu geben, dem andern zu nehmen.«
Die Nachricht von diesem Ereignis verbreitete sich durch ganz Venedig; jedermann sprach vom Herrn Ansaldo und beklagte ihn sehr wegen des Verlustes, den er erlitten; und Herr Ansaldo sah sich genötigt, viele Besitzungen zu verkaufen, um die Gläubiger zu bezahlen, die ihm die verlorenen Waren geliefert hatten. Inzwischen kamen Giannettos Reisegefährten mit großen Reichtümern von Alexandria zurück, und kaum in Venedig angelangt, erfuhren sie, daß auch Giannetto zurückgekommen sei, Schiffbruch gelitten und alles verloren habe. Darüber verwunderten sie sich und sprachen: »Das ist der außerordentlichste Fall, der je erhört wurde.«
Darauf gingen sie zu Herrn Ansaldo und zu Giannetto, begrüßten sie herzlich und sagten: »Seid unbekümmert, edler Herr! Das nächste Jahr wollen wir ausziehen und zu Eurem Besten arbeiten, denn wir sind fast schuld an diesem Eurem Verluste, da ja wir es waren, die den Giannetto das erstemal verleitet haben, mit uns zu kommen. Darum bedenkt Euch nicht, und solange wir noch irgend etwas unser nennen, betrachtet es wie Euer Eigentum!«
Herr Ansaldo dankte ihnen und sagte, er habe bis jetzt wohl noch so viel, um nicht darben zu müssen. Da nun aber Giannetto vom Morgen bis zum Abend jenen Gedanken nachhing und nie heiter werden wollte,
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