Italienische Novellen, Band 1
Grundlage des Glaubens sein muß und die Stütze des Christentums, da er ihn doch so tadelnswürdig und so voll Simonie fand. Darum verließ er Rom und beschloß, sich aus der Welt zurückzuziehen und dem Dienste Gottes zu ergeben. Als er nun von Rom Abschied genommen und auf der Rückreise mit seinen Dienern nach San Chirico di Rosena kam, sprach er zu ihnen: »Geht nur voran und nehmt Herberge! Ich will schon für mich sorgen.«
Die Diener zogen weiter und gingen nach San Chirico, und als Messere Alano sie weggegangen sah, verließ er die Straße, wandte sich nach dem Gebirge und ritt weiter bis zum Abend, wo er einen Schäfer traf. Messere Alano stieg ab, blieb den Abend bei ihm und sagte zu ihm am folgenden Morgen: »Ich will dir meine Kleider und mein Pferd lassen: gib du mir deinen Anzug!«
Der Schäfer meinte, er treibe Scherz, und sagte: »Messere, ich habe Euch geehrt, soviel ich konnte: darum macht Euch nun nicht über mich lustig!«
Messere Alano aber zog seine Kleider aus und ließ den Hirten sich gleichfalls ausziehen; er ließ ihm das Pferd und seine ganze Habe und nahm die Kleider, Schuhe und die Feldflasche des Schäfers und lief fort aufs Geratewohl.
Als seine Diener ihn nicht zurückkommen sahen, suchten sie nach ihm; als sie ihn aber nicht fanden, dachten sie, der Weg müsse unsicher sein, er sei wohl beraubt und erschlagen worden. So warteten sie einige Tage und gingen dann weg und nach Paris zurück.
Nachdem Messer Alano den Schäfer verlassen hatte, traf er am Abend auf eine Abtei in der Maremme. Er bat um ein Brot als Almosen, und der Abt fragte ihn, ob er in Dienste gehen wolle. Messere Alano sagte: »Ja.«
Darauf fragte der Abt: »Was kannst du arbeiten?«
Messere Alano versetzte: »Lieber Herr, ich werde schon können, was Ihr mich anweiset.«
Der Abt dachte, er habe hier einen brauchbaren Mann gefunden, nahm ihn zu sich und schickte ihn zuerst ins Holz. Er versah dieses Geschäft so gut, daß alle Bewohner des Klosters ihm wohlwollten; denn er tat gern, was man ihm auftrug; er schämte sich nicht und machte sich nichts daraus, Beschwerden zu ertragen und alles anzugreifen, was er zu arbeiten hatte. Als der Abt seine Demut sah, machte er ihn zum Bruder Kellner des Klosters, da er nicht wußte, wer er war, und legte ihm den Namen Don Benedetto bei. Er führte dabei ein strenges Leben, fastete vier Tage der Woche in einem fort, kleidete sich nie aus, brachte immer einen großen Teil der Nacht im Gebete zu und erzürnte sich nie über irgend etwas, was ihm gesagt oder angetan wurde, sondern lobte beständig Christus. Auf diese Weise hatte er beschlossen Gott zu dienen, so daß der Abt ihm sehr wohlwollte und ihn sehr hoch hielt.
Seine Diener waren indessen nach Paris zurückgekommen und meldeten Messere Alano tot, worüber daselbst die größte Wehklage entstand bei allen wackern Leuten, dieweil sie nun den tüchtigsten Doktor auf der Welt verloren hatten. Jener Messer Giovanni Piero aber, als er Messere Alanos Tod erfuhr, war darüber sehr vergnügt und sprach: »Nun kann ich ausführen, was ich so lange schon gewünscht habe.«
Er machte sich bereit und ging nach Rom und stellte dort im Konsistorium einen Satz auf, der gar sehr unserm Glauben zuwiderlief, und suchte durch seine Spitzfindigkeiten eine Ketzerei in die Kirche Gottes zu bringen.
Der Papst hielt darüber eine Versammlung der Kardinäle, worin sie beschlossen, alle tüchtigen Männer in Italien holen zu lassen, damit sie in einem Konsistorium erschienen, das der Papst halten wollte, um auf die Streitfrage zu antworten, die Messer Giovanni Piero unserm Glauben zuwider aufgestellt hatte. Alle Bischöfe und Äbte und die andern hohen Prälaten, die sich auf das Kirchenrecht verstanden, wurden beschieden, an den Hof zu kommen. Darunter war auch der Abt, bei dem Messer Alano lebte. Als dieser im Begriffe war, nach Rom abzugehen, und Messer Alano hörte, was der Zweck seiner Reise war, bat er den Abt um Erlaubnis mitzugehen.
»Was willst denn du dort tun?« sagte der Abt zu ihm; »du kannst ja nicht einmal lesen. Dort sind die tüchtigsten Männer von der Welt, und man spricht von nichts als von Gelehrsamkeit; da verstehst du gar nicht, um was es sich handelt.«
»Messere«, versetzte Messer Alano, »so sehe ich doch den Papst, den ich in meinem Leben noch nie gesehen habe; ich weiß gar nicht, wie er aussieht.«
Als der Abt seinen Entschluß sah, sagte er: »Meinetwegen, so komm mit! Aber weißt du denn mit einem Pferde
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