Italienische Novellen, Band 1
Aufzug zu übertreffen glaubte. Es waren so viele Trompeter und Pfeifer hier beisammen, daß alles ringsumher von Musik ertönte. Es wurde ein großer Platz ausgesteckt, woselbst das besagte Turnier gehalten werden sollte, mit vielen Balkonen ringsum, wo Herren, Frauen und Fräulein standen, um zuzuschauen.
Mit dem festgesetzten ersten Maitage kam auch jenes edle Fräulein, nämlich Lisetta, die unter den andern wie eine Sonne aussah, so vollendet schön und sittsam erschien sie in jeder Weise. So kamen alle, die sie zur Frau wollten, zum Turnier mit vielen Sinnsprüchen und mannigfaltigem Aussehen und versetzten sich untereinander weidliche Schläge. Ricciardo kam gleichfalls auf besagtem Rosse zum Turnier und bahnte sich Platz durch das Gedränge. So dauerte das Turnier einen großen Teil des Tages hindurch, und immer siegte besagter Ricciardo in demselben; denn er war gewandter in den Waffen als irgendein anderer, griff rüstig an und verteidigte sich gut und wich gewandt aus, da er in diesem Gewerbe sehr erfahren war. Einer fragte den andern, wer denn das sei; da hieß es, es sei ein eben angekommener Fremder. Kurz, er blieb Sieger auf dem Kampfplatz, und alle andern wurden zu Boden geschlagen und zogen ab, der eine dahin, der andere dorthin: denn vor seinen gewaltigen Streichen vermochten sie nicht zu bestehen.
Es dauerte aber nicht lange, so trat der Graf Aldobrandino auf den Kampfplatz, ganz bedeckt mit Waffen, stürzte auf Ricciardo los und Ricciardo auf ihn, daß es krachte. Nach vielen Hieben hin und wider ließ sich Ricciardo der getroffenen Abrede gemäß zu Boden schlagen und tat nichts mehr, was ihm freilich schwer fiel, denn er hatte sich bereits in Lisetta verliebt. Aber er mußte den Befehl des Königs vollziehen und folglich auch den Wunsch des Grafen Aldobrandino. Als nun der Graf den Sieg errungen hatte, ritt er durch die Bahn mit dem Schwert in der Hand, und sogleich kamen ihm alle seine Schildknappen und Barone entgegen mit großem Jubel. Als er aber den Helm abnahm und man ihn erkannte, wunderte sich alles über ihn, namentlich aber das Fräulein. So bekam also der Graf auf listige Weise Carsivalos Tochter zur Frau und führte sie ins Haus und ließ aus diesem Anlaß große Feierlichkeiten und Feste veranstalten.
Nach diesem Ereignis kehrte Ricciardo nach Frankreich zurück, und der König fragte ihn, was er getan habe.
»Heilige Majestät«, antwortete Ricciardo, »ich komme von einem Turnier, zu welchem mich Euer Graf böslicherweise genötigt hat.«
»Wieso?« fragte der König.
»Ich mußte«, versetzte Ricciardo, »des Grafen Kuppler abgeben.«
Dann erzählte er ihm die ganze Geschichte, über welche sich der König baß verwunderte.
»Gnädigster Herr«, fuhr Ricciardo fort, »verwundert Euch nicht über das, was mir begegnet ist, sondern vielmehr darüber, daß ich es getan habe; denn ich habe nie etwas getan, was mir größeres Leid verursacht als dies. Das Fräulein, das Graf Aldobrandino auf so schnöde Weise zu gewinnen wußte, ist nämlich aus der Maßen schön.«
Der König dachte eine Weile darüber nach, dann sagte er: »Ricciardo, besorge nichts! Dies Turnier kann noch dein Vorteil sein. Doch damit genug für jetzt!«
Kurze Zeit darauf geschah es, daß besagter Graf Aldobrandino ohne Erben mit Tod abging; Madonna Lisetta war also Witwe geworden, und ihr Vater holte sie wieder in sein Haus, machte aber fast gar nichts mit ihr und schmeichelte ihr nicht wie sonst. Darüber begann das junge Weibchen sich im stillen sehr zu verwundern und konnte am Ende nicht länger mehr an sich halten, sondern sprach eines Tages zu ihrem Vater folgendermaßen: »Mein Vater, ich wundere mich sehr über Euch, angesehen, daß ich sonst eines Eurer Augen war und Ihr mich Eurem liebsten Sohne vorzoget; und sooft Ihr mich sahet, ging Euch das Herz auf, solange ich noch ein Mädchen war; jetzt aber, ich weiß gar nicht warum, ist es, als ob Euer Herz gar nicht mehr meinen Anblick ertragen könne.«
Der Vater antwortete ihr also: »Du wunderst dich nicht so sehr über mich, als ich mich über dich gewundert habe; denn ich glaubte, du seiest gescheit und merkest, warum und in welcher Absicht ich dich an den Alten verheiratet habe: einzig, damit du Kinder bekämest, – so hättest du dich zur unumschränkten Gebieterin über seinen Reichtum machen können. Sonst hatte ich keine Absicht.«
»Mein Vater«, antwortete die Tochter, »ich habe getan, was ich konnte.«
»Wie ist es möglich«,
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