Italienische Novellen, Band 1
obengenannte Grabmal und ließen einen von ihnen, während sie zurückkehrten, um das übrige wegzutragen, zurück, um in der Nähe der Tür zu beobachten, ob im Hause eine Bewegung entstehe; denn sie dachten bei sich, der Anblick jener Bärin würde hinreichen, um die Dienerschaft zu schrecken, wenn einer davon etwa aufwachen sollte. Es stand allerdings auf das Geräusch hin ein Diener des Hauses auf und ging an die Türe, um zu sehen, ob der Pförtner dort sei. Er sah ihn tot und das wilde Tier im Hause umhergehen. Darum schlich er leise hinweg und erzählte den andern, was er gesehen. Da dauerte es denn nicht lange, so war das Haus voll von Männern mit brennenden Fackeln, so daß alle Finsternis floh, und alle ohne Ausnahme brachten Waffen mit: die einen kamen mit Panzern, andere mit Lanzen und Spießen und viele mit bloßem Schwerte; ja, was noch mehr ist, sie ließen große Jagdhunde kommen und umzingelten allesamt die arme Bärin, so daß sie sie grausam umbrachten, ohne daß der Mensch darin einen Laut von sich gab. Dennoch hatte er allen, die es sahen, einen solchen Schrecken eingejagt, daß auch den Toten keiner zu berühren wagte. Am Ende, als ein Fleischer das Tier schinden wollte, entkleidete er den armen, unglücklichen Räuber.
Gentile Sermini
Nach 1410
Ser Pace
In der prächtigen Stadt Rom lebte ein Priester namens Ser Pace, der als Pfarrer eines Kirchleins mit einer guten Pfründe anständig lebte. Er war ein Mann von milder Gemütsart und höflichen Sitten, war einer guten Tafel nicht gram und lud häufig andere Geistliche zum Essen zu sich. Als er einst eines Burschen benötigt war, lief ihm einer aus Colle im Elsatal namens Masetto in die Hände, der gerade als Knecht Dienste suchte. Sie sprachen miteinander und kamen überein, daß Masetto auf Lebenszeit sich zu ihm verdingte, mit dem Versprechen, so genau als möglich zu erfüllen, was Ser Pace zu ihm sage; Ser Pace nahm ihn ebenfalls auf Lebenszeit an und setzte für sich fünfundzwanzig Gulden Buße fest, wenn er ihn fortschicke, und das gleiche für Masetto, wenn er seine Entlassung begehre. Weil aber Masetto in einem losen Alter stand, das dem Hausherrn geringere Gewähr leistete, übergab er von seiner Habe dem Ser Pace zwanzig Dukaten und ein silbernes Geschmeide sieben Lot schwer, das einen kleinen Falken darstellte, alles miteinander als Pfand. Ser Pace sicherte die Übereinkunft noch durch die Hand eines öffentlichen Notars; es wurde ein Papier darüber aufgesetzt, und als dasselbe im reinen war, wohnte Masetto mit Ser Pace zusammen, kam seinem Dienste mit großem Eifer nach und erwarb sich Ser Paces Zuneigung in hohem Grade.
Etwa vierzehn Tage ging der Dienst in Ordnung; nun aber begann Masetto das ins Werk zu setzen, weshalb er eigentlich zu Ser Pace gegangen war. Es war die große Fastenzeit; da sprach Ser Pace zu Masetto: »Morgen kommen vier Priester zu mir zum Frühstück. Kaufe zehn Pfund Fische und rüste sie gut zu! Weiche Bohnen ein! Koche aber nicht viele, denn es ist nicht gerade eine Speise für Priester. Daß es nur an den Fischen nicht fehlt!«
Masetto antwortete: »Ganz recht, gestrenger Herr!«
Und er sorgte für alles. Er rechnete: da es fünf Priester waren, legte er elf Bohnen ins Wasser, nämlich zwei für jeden und eine für sich, und am andern Morgen setzte er sie so zum Feuer. Auch bereitete er die Fische köstlich zu, wie ihm Ser Pace anbefohlen hatte. Alles war fertig; die Stunde der Mahlzeit kam, und die Geistlichen traten ins Haus. Masetto empfing sie freundlich und reichte ihnen Handwasser; sie setzten sich zu Tisch, und nach einem würzigen Salate trug Masetto die Teller auf mit je zwei Bohnen auf einem. Die Geistlichen verwunderten sich über diesen Anblick und sahen einander an. Als aber Ser Pace dies bemerkte, sprach er zu Masetto: »Was ist das für eine Ärmlichkeit? Geh, schöpfe mehr heraus! Bist du verrückt? Solche Teller setzt man nicht Priestern vor.«
Masetto antwortete: »In der Schüssel ist nur noch eine Bohne für mich. Wenn Ihr sie wollt, so will ich sie Euch bringen.«
»Was sagst du?« sprach Ser Pace, stand auf und wollte es sehen. Er fand es auch wirklich so. Darüber tadelte er ihn sehr und sprach: »Sieh zu, daß dir dies nicht wieder begegnet!«
Masetto antwortete, er habe es nur aus Gehorsam so gemacht. Er habe ihm ja befohlen, nur wenig zu kochen, deshalb habe er zwei auf jeden Geistlichen und eine auf sich gerechnet.
»Genug damit für jetzt«, sagte Ser Pace. »Gib uns
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