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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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seines nunmehr einzigen Sohnes drang, den er einen Blutschänder nannte, weil er das Bett seines Vaters habe beflecken wollen, Brudermörder, weil er seinen Bruder umgebracht, und Totschläger, weil er seiner Stiefmutter das Leben zu nehmen angedroht. Er hatte mit diesen Klagen die Gemüter des Volkes so sehr zur Entrüstung aufgeregt, daß alle riefen, man müßte ihn, ohne viel Zeit mit Anklage und Verteidigung zu verlieren, für diese Sünde öffentlich durch Steinigung bestrafen. Die Richter sagten jedoch, sie wollten nach altem Brauche den Spruch erst nach sorgfältigem Verhöre fällen, und wollten nicht zugeben, daß ein so grausames Beispiel aufgestellt und ein Mensch aus Erbitterung statt auf gerechte Beweise hin getötet werde.
    Es wurde daher förmlich und gesetzmäßig der Angeklagte vor Gericht beschieden und der Anklageprozeß begonnen. Der Vater sagte, sein älterer Sohn habe den Jüngern vergiftet und es liege dafür ein sicherer Beweis vor, da er wenige Tage zuvor versucht habe, ihn durch einen Diener umbringen zu lassen, dem er fünfzig Taler versprochen habe. Als der Jüngling befragt wurde, leugnete er alles. Nachdem Anklage und Verteidigung stattgefunden hatte, wollten die Richter doch die Sache nicht auf Vermutungen und Verdachtsgründe hin abmachen, sondern verlangten sichere Beweise und bestimmte Wahrheit. Darum beschlossen sie, der Knecht solle ihnen vorgeführt werden, und so wurde denn dieser Galgenvogel herbeigebracht; er trat mit dreister Stirn vor die Richter und machte dieselbe Aussage, die er schon dem Vater gemacht, ja er fügte hinzu, er wolle die Wahrheit seiner Worte mit dem Jüngling auf der Folter bekräftigen. Da war nun kein Richter dem Jüngling so günstig gesinnt, der nicht geurteilt hätte, man müsse erst den Jüngling auf die Folter spannen und alsdann, wenn dieser beim Leugnen beharre, auch den Knecht. Da erhob sich ein in jener Stadt sehr angesehener rechtschaffener Arzt und sprach also: »Ich schmeichle mir, sagen zu können, daß ich bis daher unter euch für einen redlichen Mann gegolten habe, und kann nicht zugeben, daß dieser unschuldige Jüngling ungerechterweise von euch gefoltert oder getötet werde. Aber was hilft das, wenn ich allein mich der Behauptung eines andern widersetze? Und doch bin ich der, für den ihr mich haltet, und der andere ist ein niederträchtiger Schurke, der nicht einen, sondern tausend Galgen verdient. Ich weiß, daß mein Gewissen mich nicht betrügt, und darum hört den wahren Tatbestand der Sache! Dieser Schurke kam zu mir und wollte ein plötzliches Gift von mir kaufen, wofür er mir einen Preis von fünfzig Golddukaten anbot, indem er vorgab, desselben für einen Kranken bedürftig zu sein, der Tag und Nacht von einer unheilbaren Wassersucht und tausend andern Schmerzen gepeinigt werde und sehnlich wünsche, durch die Arznei des Todes über so große Mühsal hinwegzukommen. Da ich sah, wie verlegen der Spitzbube um Worte war, mit denen er seine listigen Vorwände beschönigen sollte, schöpfte ich Verdacht, er möchte irgendeinen bösen Anschlag im Kopfe haben, und war im Begriff, ihm die Türe zu weisen. Gleich darauf aber fiel mir ein, wenn ich es ihm abschlage, so werde er zu einem andern gehen, der vielleicht minder vorsichtig sei als ich und ihm in seinem Begehren willfahre; ich hielt es daher für geraten, ihm einen Trank zu reichen, und gab ihm auch einen, aber von einer Beschaffenheit, die ihr später hören werdet. Da ich überzeugt war, daß man der Sache mit der Zeit nachspüren werde, wollte ich den Preis, den er mir anbot, nicht sogleich nehmen, sondern sagte zu ihm: ›Ich fürchte, einige von diesen Dukaten möchten falsch oder zu leicht sein; tue sie daher wieder in dieses Säckchen und siegele es mit deinem Ring! Ein andermal bei gelegenerer Zeit wollen wir alsdann zusammen nach der Bank gehen und sie untersuchen lassen.‹ Er ließ sich überlisten, und ich brachte ihn dahin, daß er den Sack mit seinem Siegel schloß. Ich habe ihn soeben durch meinen Diener holen lassen und will es euch zeigen. Er mag es sehen und soll sein Siegel anerkennen und darauf erklären, auf welche Art er diesen braven Jüngling beschuldigen will, seinem Bruder Gift gegeben zu haben, wenn er doch selbst es gekauft hat.«
    Während dieser wackere Mann so sprach, war der elende Diener blaß geworden wie eine Leiche; er zitterte, und einzelne Tropfen eiskalten Schweißes traten ihm auf die Stirne; er trat bald vorwärts, bald zurück, drehte

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