Italienische Novellen, Band 1
in den Pfarrhof hüpfen. Den Hühnerstall leerte er ganz aus und warf ihn hinab. Auf dem Speicher lag ein großer Berg Korn: den leerte er Sack um Sack zum Fenster hinaus und schüttete dasselbe auf das Durcheinander der andern Sachen.
Als nun Ser Pace und seine Gesellschafter aus der Vesper kamen, sagten sie: »Wir wollen doch sehen, ob sich Masetto aus dem Fenster gestürzt hat.«
Sie gingen hin, und als sie an die Tür des Platzes oder Hofes, wie man es heißen will, kamen, hörten sie ein lautes Krähen und Durcheinanderfliegen der Hühner, weil Masetto eben wieder einen Sack voll Körner herabgoß. Ser Pace wunderte sich über den Vorfall, öffnete wütend das Hoftor und sah denn hier alle seine Habseligkeiten übereinandergeworfen und zerbrochen. Voll Grimm schrie er auf und rief Masetto zu: »Verräter, was machst du?«
Masetto, einen andern Sack herabschüttend, antwortete ganz erschöpft: »Ich räume aus, wie Ihr mir gesagt habt. Ich habe nur noch wenig Korn auszuleeren; dann ziehe ich den Fässern die Zapfen aus, und so werde ich bald ganz fertig sein. Macht nur noch einen kleinen Gang um eine Ecke! Wenn Ihr wiederkommt, so werdet Ihr alles getan finden, daß auch nicht ein Härchen mehr übrigbleibt.«
Ser Pace spie Feuer und Flammen vor Entrüstung und sagte: »Verräter, geh mir aus dem Hause!«
Er nahm einen Stock und eilte die Treppe hinauf, um ihn damit zu bedienen. Masetto aber, welcher jung und gewandter war als er, lief ihm davon. Ser Pace folgte ihm nach und jagte ihn zum Hause hinaus. Als Masetto vor der Haustür angelangt war, sprach er zu den vier Geistlichen: »Ihr seid meine Zeugen, daß er mich zum Hause hinausgejagt hat.«
In demselben Augenblick kam zufällig der Ritter des Senators vorbei. Von dem Geschrei aufmerksam gemacht, kam er herzu, hörte den Fall und führte Ser Pace und Masetto gefangen mit sich; die vier Priester folgten. Alle wurden dem Senator vorgeführt, und Ser Pace setzte diesem den ganzen Schaden auseinander, den ihm Masetto zugefügt hatte.
»Gnädiger Herr Senator«, sprach Masetto, »laßt mir mein Recht werden! Weil aber Ser Pace Priester ist, so laßt ihn Gewähr leisten, daß er Recht gibt und Eure Gerichtsbarkeit anerkennt!«
So geschah es. Ser Pace unterwarf sich dem Gericht und leistete hinreichende Gewähr. Darauf setzte Masetto seine Angelegenheit auseinander, zeigte den mit Ser Pace eingegangenen schriftlichen Vertrag vor und erwähnte die Bußen und das Unterpfand. Ser Pace dagegen erzählte, welchen Schaden er genommen habe. Während nun der Herr Senator und einer seiner Gehilfen die Parteien verhörte, hatte die Erbsenbrühe ihren Lauf vollbracht und äußerte ihre Wirksamkeit so gewaltig, daß Ser Paces Schinkentasche sich ganz mit solcher Suppenbrühe füllte. Als die Kunde von diesem Ereignis dem Herrn Senator zu Ohren oder vielmehr zur Nase kam, wurde ihm der Priester verhaßt; er sagte zu seinem Gehilfen, er solle die Leute abfertigen und wegschicken. Dieser hatte die Gründe, die jeder für sich beibrachte, angehört und sprach nun das Urteil: Ser Pace müsse dem Masetto fünfundzwanzig Gulden Buße zahlen und das ganze Unterpfand, das ihm Masetto gegeben hatte, zurückerstatten. Ser Pace beschwerte sich darüber, Masetto aber verteidigte sein Recht.
»Herr Senator«, sprach er, »wundert Euch nicht, daß diese schurkischen Pfaffen sich diesen Abend so aufführen! Das begegnet ihnen alle Tage bei ihrem schlemmerischen Fressen und Saufen. Alle Tage geht es hoch her bei ihnen, und ich hatte die Unlust davon.«
Der Herr Senator tat nun in der besagten Weise den Spruch, daß Masetto für alles bezahlt werden müsse. Und somit schied er befriedigt. Ser Pace und seine Genossen aber schieden sehr unzufrieden, denn sie hatten zum Schaden noch die Schande. Alle gingen mit Ser Pace in sein Haus, um ihm zu helfen, seine Sachen, die Masetto auf den Platz oder in den Pfarrhof geworfen hatte, wieder einzuräumen und aufzustellen. Zu dieser Arbeit nahm er einige Nachbarn in Anspruch, und viele unterstützten ihn aus Mitleid. Und als sie von Ser Pace hörten, wie die Sache gegangen war, bemitleideten ihn alle.
Unter den Hilfeleistenden war auch ein junger Mann aus Sciano in Ombrone im Gebiete Sienas, namens Pela. Als er den Schaden sah und Nachricht davon bekam, ergriff ihn Mitleid; er rief Ser Pace beiseite und bot sich ihm folgendermaßen zum Dienst an:
»Ich habe«, sagte er, »ihn soeben zum Sankt-Peters-Tor hinausgehen sehen; aber ich sage Euch, da
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