Italienische Novellen, Band 1
er die Sachen nicht bei sich hat, so will ich das Leben verlieren. Dieser schurkische Masetto hat in Sutri ausgespäht, daß ich das Geld bei mir habe; dann hat er sich an mich gemacht, um mich unterwegs zu bestehlen, und heute nacht, da wir zusammen schliefen, hat er es ausgeführt. Beweise habe ich sonst nicht, als Gott und die Wahrheit.«
Der Beamte glaubte Salvi, ließ Masetto holen, und da man in seinem Busen genau das vorfand, was der Brief besagte, nahm er an, Salvi sei wirklich nach seiner Angabe beraubt worden. So ließ er denn Salvi alle Dukaten und das Geschmeide übergeben. Der Schultheiß litt heftig an Hüftschmerzen, nahm sich der Untersuchung wenig an und gab seinem Notar den Auftrag, er solle dem Missetäter sein Recht werden lassen. Der Notar war Ser Piero von Farnese, der in seiner Schelmerei auf den Gedanken kam, den beiden das Geld abzunehmen. Darum ließ er Masetto und Salvi gefangensetzen, und da Masetto sich sehr gewehrt hatte, die Beschuldigung sei nicht wahr und der Brief unterschoben, auch sich zum Beweise dafür erbot, sagte er zu Salvi: »Ihr müßt beide so lange hier bleiben, bis du Colella von Sutri kommen läßt. Dann will ich es untersuchen. Sobald ich hierüber im reinen bin, lasse ich dich frei. Wenn es nicht wahr ist, mußt du das Geld wieder hergeben, und ich lasse dich hängen als Betrüger.«
Salvi kam diese Entscheidung mißlich vor. Es wurden ihm drei Tage Frist gegeben, um durch Colella zu erweisen, daß der Brief echt sei. Pela Salvi traute aber diesem als einem listigen Burschen nicht ganz. Daher versuchte er einen Vergleich durch Vermittelung Schiavettos, des Dieners des Schultheißen, der die Gefangenen mit Essen und Trinken zu versehen hatte, und bot ihm Geld an, wenn er ihn entwischen lasse. Ser Piero, der auf nichts anderes wartete, verlangte die ganze Summe und versprach, sie dann loszugeben. Schiavetto aber mißfiel das, und er verständigte sich daher mit Salvi und Masetto. Mit seiner Hilfe von außen und der eigenen Anstrengung von innen erbrachen sie in der dritten Nacht den Kerker, und er führte sie an einen Platz, wo sie über die Mauer steigen konnten. Sobald sie draußen waren, gaben Salvi und Schiavetto vor, nach Siena zu gehen, wiewohl sie die entgegengesetzte Richtung im Sinne hatten und sie miteinander in geheimem Einverständnis waren. Salvi stellte sich, als habe er beim Überspringen der Mauer einen Fuß verrenkt und könne nun nicht mehr gehen. Masetto wollte sich aus Angst nicht aufhalten, und Schiavetto sagte zu ihm: »Geh nur zu, wir kommen gemach hinterdrein!«
Da Schiavetto und Pela zurückblieben, war das Masetto eben recht; denn er gedachte es Pela ebenso zu machen, wie dieser es ihm gemacht hatte. Er eilte daher nach Radicofani, wo er einen falschen Brief aufsetzte ähnlich dem des Salvi, als schickte einer aus Viterbo das Geld an einen andern in Pisa und dabei das Geschmeide. Sodann stellte er sich dem Schultheiß von Radicofani vor, sagte, er sei von zwei Leuten um fünfundvierzig Dukaten und ein Geschmeide bestohlen worden, und zeigte zugleich den Brief des Viterbers. Der Beamte glaubte ihm und gab ihm vier Häscher, um die Missetäter zu fangen. Mit diesen wartete er zwei Tage am Tore auf die Ankunft Pelas und Schiavettos. Da sie aber nicht kamen, nahm er traurig Abschied und ging nach Colle.
Pela und Schiavetto waren indessen bereits in Rom angekommen und hatten Ser Pace das Geld und das Geschmeide zugestellt. Als Ser Pace die Nachricht gehört und das Geld und das Geschmeide in Empfang genommen hatte, sagte er ihnen freudigen Dank. Er nahm seine fünfundzwanzig römischen Dukaten; die zwanzig venezianischen aber und das Geschmeide machte er ihnen zum Geschenk.
Die ganze Geschichte kam dem Kardinal von Brancacci zu Ohren, der sich darüber freute und sie eines Tages dem Papst Gregor XII. in Gegenwart aller andern Herren Kardinäle erzählte und dabei die Frage aufwarf, wer für den verschmitztesten zu halten sei, der Colligianer oder der Scialenge. Wir übergehen den Spaß, den die Sache erregte, und den heftigen Streit, den sie hervorrief, indem der eine diesem, der andere jenem den Preis der Verschmitztheit zuerkannte. Es dauerte etwa einen Monat, und nie kam es zur bestimmten Entscheidung. Unterdessen verließ der Papst mit seinem ganzen Hofe Rom und zog nach Siena und von dort nach längerem Aufenthalte nach Lucca; dann kehrte er wieder nach Siena zurück, später in die Romagna. In der Folge wurde dem Papst Gregor der Gehorsam
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