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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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Nähe im Strovetal eine sehr hübsche Besitzung im Werte von tausend Gulden, womit er gar sparsam sich und seiner Schwester Unterhalt verschaffte; denn ein anderes Erbteil war ihm wegen der vorangegangenen Fehden nicht geblieben. Als nun Carlo auf diese Weise lebte und mehr in Betragen und Worten als durch Pracht, wozu ihm die Mittel fehlten, zeigte, daß er ein Edelmann war, begab es sich, daß Anselmo, der in der Nähe von Carlos Hause wohnte und Angelica oft sah, in Anbetracht ihrer Schönheit, ihres reizenden Benehmens und ihres sittsamen Wesens sich fast unvermerkt in sie verliebte. Weil aber zwischen beiden Familien, obgleich sie sich nicht mehr befehdeten, doch auch noch kein ausdrücklicher Friede geschlossen war, aus diesem Grunde hielt Anselmo seine Wünsche so geheim, daß sie außer ihm niemandem bekannt waren.
    Dabei blieb es einige Zeit, ohne daß etwas Neues vorkam, bis endlich ein Bürger aus dem Volke, der einflußreich bei der Regierung war, nach der Besitzung des besagten Carlo lüstern wurde und ihn auffordern ließ, sie an ihn zu verkaufen; er bot ihm dafür den Preis von tausend Dukaten. Carlo wollte darauf nicht eingehen, teils weil dieses Gut das einzige Überbleibsel seines alten Erbes war, teils auch weil er damit sich und seine Schwester mit Mühe unterhielt und beköstigte und sonst ein Gewerbe weder verstand noch erlernen mochte. Der besagte Bürger ließ ihn daher anzeigen, als habe Carlo verschiedenes gegen den Staat verschuldet, wofür als Strafe die Enthauptung gesetzt war. Aus diesem Grunde wurde daher Carlo festgenommen. Aber ebenfalls auf Anstiften des besagten Bürgers, der gegen Carlo das größte Wohlwollen und Mitleid heuchelte, wurde dieser zu tausend Gulden verurteilt, die er binnen vierzehn Tagen zahlen sollte; wären sie aber innerhalb dieser Zeit nicht bezahlt, so sollte er dennoch den Kopf verlieren. Vorläufig wurde er nun also ins Gefängnis geworfen.
    Als Carlo sich in solcher Not sah, wünschte er aus natürlichem Triebe, sein Leben zu retten. Er schickte daher einen Unterhändler an den besagten Bürger, um ihm die schon erwähnte Besitzung anzubieten um den Preis von nur tausend Gulden, die er bezahlen sollte. Der Bürger aber war mehr geizig als klug und vorsichtig und antwortete, er möchte nicht mehr als siebenhundert Gulden für die vorbesagte Besitzung ausgeben. Der Unterhändler kehrte mit diesem Bescheid in das Gefängnis zurück und verkündete Carlo das Angebot des Bürgers von siebenhundert Gulden. Carlo kannte die Habsucht und die Ränke dieses Mannes und überlegte bei sich, wenn er auch das Gut nach dem ersten Anschlag um tausend verkaufte, so bliebe weder für ihn noch für seine Schwester Angelica irgendein Mittel des Unterhaltes; und darum beschloß er fest, lieber sogleich zu sterben und das Gut Angelica als Mitgift erhalten zu wollen, als länger arm zu leben und die Ehre seiner selbst, seiner Schwester und seines Hauses in Gefahr zu bringen. Daher entließ er den Unterhändler und erwartete den Zeitpunkt, an welchem er sterben sollte.
    Carlo hatte noch viele andere Angehörige von mütterlicher Seite, welche zwar sehr reich waren; aber da sie erfuhren, daß er gefangengesetzt sei, weil er gegen die Regierung gearbeitet habe, wagte keiner, an seiner Statt die Geldbuße zu erlegen, um sich nicht bei denen in den Verdacht zu bringen, die dazumal in Siena am Ruder waren. Als demnach der vierzehnte Tag gekommen war, womit die Frist Carlos schloß, kehrte Anselmo gegen neun Uhr vom Lande zurück und sah, als er an Carlos Hause vorüberkam, einige Frauen weinend heraustreten. Er stieg daher vom Pferde, fragte nach der Ursache dieses Weinens und erhielt zur Antwort, am folgenden Morgen solle Carlo enthauptet werden, weil innerhalb der gegebenen Frist weder er noch sonst jemand für ihn die Buße von tausend Gulden bezahlt habe, die zu zahlen er binnen vierzehn. Tagen verurteilt worden sei, und heute sei der letzte Tag. Sobald Anselmo dies vernommen hatte, merkte der edelmütige und tiefblickende Mann wohl, daß Carlo lieber sterben als seine Schwester enterben wolle; und da er den ganzen Prozeß gehört hatte, ging er schnell in sein Gemach, schloß sich daselbst ein und fing bei sich selbst folgende Überlegung an: »Anselmo, es scheint, das Schicksal ist viel eifriger auf deine Ehre bedacht gewesen als du selbst, da es gefügt hat, daß Carlo Montanini, mit dem. du so lange Zeit über tödliche Feindschaft gehabt hast, von der Staatsgewalt zum Tode

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