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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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aufgekündigt und in Pisa Papst Alexander gewählt. Deshalb blieb jene Streitfrage schwebend, und es wurde nie ausgesprochen, wer der verschmitzteste sei. Unter den Hofleuten aber blieb die Redensart sprichwörtlich: Du, bist du ein Colligianer, so bin ich ein Scialenge.
    Das soll heißen: Wenn du ein Schurke bist, so bin ich kein Heiliger.
    Man bittet nun den geneigten Leser, die Untersuchung zum Spruche zu bringen.

Bernardo Ilicini
15. Jahrhundert

Sienesischer Edelmut
    In Siena wurde in den letzten Tagen eine adelige angesehene und sehr reichliche Hochzeit gefeiert. Nachdem die Tafeln aufgehoben waren, führte man wegen der strengen Kälte des rauhen Wetters die jungen Frauen und Mädchen an das Feuer, wo unter anmutigen und sittsamen Gesprächen über mehrere Gegenstände die Unterhaltung fortgesetzt wurde. Am Ende derselben kamen sie alle in dem Schlusse überein, daß nichts anderes in einer edlen Seele so schön glänze, als Großmut, Dankbarkeit und Freigebigkeit. Darüber sagte eine sehr würdige ältere Frau, mit freundlichen Blicken: »Hochedle Frauen, eure löbliche Meinung, auf welche eure sittsame Unterhaltung und euer anmutiges Gespräch hinausläuft, ruft mir einen Fall ins Gedächtnis, der zwischen zwei Jünglingen unserer Vaterstadt sich ereignet hat. Beide waren edel von Geburt, wie ihr, einer aus dem glänzenden und mächtigen Hause der Salimbeni, namens Anselmo von Misser Salimbene, der andere aus der hochsinnigen Familie der Montanini, namens Carlo von Misser Tommaso. Sie haben sich gegenseitig manche Beweise edler Großmut gegeben; und wenn ihr geneigt seid, mir darüber euer aufrichtiges Urteil kundzutun, so will ich gerne euch das Ereignis erzählen.«
    Unter einer großen Zahl anderer einheimischer Mädchen waren bloß drei daselbst, welche in Siena Edelfräulein hießen: eine aus der adligen Familie von Luziano, namens Battista, die andere aus dem Hause der Malavolti, genannt Margarita, die dritte eine der Saracini, welche Bianca hieß. Als diese die Rede an sich gerichtet merkten, übernahm Margarita, die jüngste unter ihnen, die Antwort und sprach: »Meine hochzuverehrende Mutter, wenn ich diese beiden andern sittsamen Schwestern für so wenig einsichtsvoll und urteilsfähig hielte, wie ich bei meiner Jugend, Ungeschicklichkeit und Unerfahrenheit es bin, so müßte ich Euch bitten, daß Ihr Euch nicht weiter Mühe gebt, uns etwas zu erzählen, was Prüfung erheischt. Da aber jede von ihnen mehrmals die Schule und den Wettkampf der Klugheit durchgemacht und immer reifes Urteil, klarste Einsicht und höchste Wißbegierde nach jeder edeln Handlungsweise und Sitte bewährt hat, aus diesem Grunde wird es mir höchst erwünscht sein, je eher je lieber den von Euch zu erzählenden Fall zu vernehmen; worauf sie dann ihr Urteil abgeben mögen. Zugleich erkläre ich mich bereit, würdigste Frau, um nicht als unaufmerksam oder undankbar gegen Euch zu erscheinen, ebenso dasjenige auszusprechen, was ich davon verstehe.«
    Nach diesen Worten bereiteten sich schon die drei hochedlen Fräulein und ebenso alle Umstehenden zu hören; die ehrwürdige Matrone aber begann also ihre ernste, würdige und wohlgehaltene Erzählung.
    Es scheint eine allgemeine Eigenschaft aller erschaffenen Dinge zu sein, daß in ihrem Wesen sich irgendeine Unvollkommenheit ausfindig machen läßt. Daher sagt man mit Recht im gemeinen Leben, nur der allerhöchste Gott sei fehlerfrei, was man ganz deutlich bemerkt in den edeln und mächtigen Familien, Fürsten und Reichen, worin die Menschen so weit entfernt sind, duldsam zu sein. Dies erweist sich offenbar in den vorbesagten Familien, den Salimbeni nämlich und den Montanini. Es fanden sich einst bei einer sehr vornehmen Jagd die meisten jungen Leute beider Familien vereinigt; die Hunde hatten einen wilden Eber erlegt, und man kam in Streit über die brave Haltung der Hunde. Da begab es sich denn nach vielem Hinundherreden, daß einer der Montanini einen jungen Salimbene tödlich verwundete, aus welchem Totschlag denn eine Todfeindschaft entstand, infolge deren nach kurzer Zeit das Haus der Montanini dem gänzlichen Untergang nahe kam. Nach vielen Jahren jedoch hatte sich die Kränkung verwischt und gelindert; im Jahre des Herrn 1395 war von dem Hause der Montanini nur noch Carlo von Misser Tommaso und eine fünfzehnjährige Schwester desselben, namens Angelica, übrig, die in der Tat mehr die Gestalt eines Engels hatte, als sie einem irdischen Wesen glich. Carlo hatte in der

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