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Italienische Novellen, Band 1

Italienische Novellen, Band 1

Titel: Italienische Novellen, Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene Autoren
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gebracht wird, durch den du deinen lange gehegten Rachedurst stillen kannst. Überdies, da du durch deine Nachlässigkeit dich von den hinfälligen Reizen eines Mädchens hast fangen lassen, hat dir das Schicksal den Weg gebahnt, um diese nach deinen Wünschen zu besitzen; denn wahrscheinlich wird, wenn Carlo das Leben verloren hat, diese auch ihre Habe verlieren; dadurch gerät sie in Not und wird viel eher geneigt sein, sich deinen Wünschen zu fügen. Darum danke dem Schicksal und warte zufrieden, bis Carlo tot ist!«
    Plötzlich aber wandte er sich nach einer andern Seite und sagte: »Ha, wie niedrig und engherzig! Muß dich diese Stimmung nicht mit der tiefsten Scham übergießen, da dir ja bekannt ist, daß es zwei Arten des Edelsinnes und der Großmut gibt, die eine, jede große und kleine Beleidigung selber zu rächen, die andere aber, durch eigene Großmut sie gering zu schätzen und völlig zu verzeihen? Du hast die erste vernachlässigt und denkst nun auch nicht daran, die zweite zu üben. Ferner, weißt du nicht, Undankbarer, daß, obwohl von deinem Hause Angelica viel Schaden zugefügt worden ist, sie nichtsdestoweniger, sooft du sie angesehen hast, dir einen friedfertigen Sinn gezeigt und bewiesen hat, daß sie keinen Haß gegen dich hegt? Und da sie die Gesinnung deiner Seele nicht kennt, hat sie immer dir freundlich verstattet, sie anblicken zu dürfen. Ha, kannst du, völlig entartet gegen deine hochedeln Vorfahren, je zugeben, daß etwas, was du so sehr liebst, in solcher äußersten Not von dir verlassen wird? Wenn man nun je erführe, daß du um tausend Gulden den einzigen Bruder deiner teuren Geliebten habest sterben lassen, – würdest du nicht immer und mit Recht eher für einen geizigen Bauer als für einen milden Edelmann gehalten werden? Und wenn früher empfangene Beleidigungen dich abhielten, würdest du nicht weit eher die Natur eines wilden Tieres oder eines rohen Steines als die deinige bekennen, denn die Seele eines vernünftigen Geschöpfes ? Hat doch Carlo Montanini dich niemals beleidigt, und die Vernunft gibt nicht zu, daß eine Schuld an einer andern Person gebüßt werde als an dem Missetäter selbst. Hat dich nun die Natur zum Edelmann und das Schicksal reich gemacht, so darfst du keinem von beiden damit unrecht tun, daß du dessen vergissest, der deiner Hilfe bedarf.«
    Nach diesen Worten faßte Anselmo den bestimmten Entschluß, Carlo in seiner Not beizustehen, holte aus einer Kiste tausend Golddukaten und ging noch spät am Abend zu dem Kämmerling, der die Bußgelder in Empfang nahm.
    »Hier«, sagte er, »sind die tausend Golddukaten, die Carlo Montanini als seine Buße entrichten läßt. Schreibt mir daher einen Schein, damit er losgegeben und in Freiheit gesetzt werde!«
    Der Kämmerling nahm die tausend Dukaten in Empfang und wollte Anselmo dasjenige herausgeben, um was die Dukaten tausend Gulden überstiegen. Aber Anselmo sagte, er wolle es nicht, und am Ende stellte ihm der Kämmerling den Schein zu, auf welchen Carlo freigelassen werden mußte. Als Anselmo ihn hatte – es war etwa vierundzwanzig Uhr –, gab er ihn einem vertrauten Burschen, daß er ihn den Vorstehern bringe und bloß sage, sie sollten Carlo freilassen. Er stieg sogleich wieder zu Pferd und ritt hinweg auf sein Landgut zurück. Als Anselmos Diener an das Gefängnis kam, fragte er nach dem Vorsteher und überreichte ihm den Schein. Als sodann der Vorsteher ihn gelesen hatte, rief er sogleich Carlo herbei. Carlo meinte, es sei die Botschaft, daß er auf sein Seelenheil bedacht sein solle, weil er am folgenden Morgen sterben müsse, und antwortete dem Vorsteher sehr niedergeschlagen: »Was verlangst du?«
    »Carlo«, antwortete dieser, »es ist mir die Anweisung zu Eurer Freilassung eingehändigt worden; darum öffne ich Euch hier die Kerkertür und gebe Euch Eurer Freiheit zurück. Es steht bei Euch, hierzubleiben oder zu gehen.«
    Carlo war über die Worte des Vorstehers überrascht, und die plötzliche Freude und Verwunderung ließ ihn eine Weile nicht zur Besinnung kommen. Dann fragte er, wer denn die Buße für ihn erlegt habe. Der Vorsteher aber antwortete ihm, er wisse es nicht, es habe bloß ein Diener, den er nicht kenne, ihm die Anweisung gebracht. Hierauf schied Carlo aus dem Gefängnis und ging nach Hause, wo er die Tür verschlossen fand, weil es schon Nacht war. Er pochte an. Angelica, welche immer eine schmerzliche Nachricht erwartete, stand plötzlich weinend auf, ging ans Fenster und

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