Italienische Novellen, Band 2
beschwichtigte damit einigermaßen ihren herben Schmerz.
Giulia, die sich nicht überzeugen konnte, daß der König von England nicht einen Kämpfer seiner Schwester zu Hilfe schicken werde, ging täglich mehrmals nach dem Kampfplatz, um zu sehen, ob niemand erscheine. Der englische König glaubte aber, seine Schwester sei in der Tat im Ehebruch erwischt worden, war daher heftig erzürnt über sie und sagte, sie verdiene es, verbrannt zu werden.
Don Giovanni kam des Abends nach Turin und kehrte in der Vorstadt bei einem Gastwirte ein, der ein braver Mann war, und von dem er im Gespräche vernahm, der Herzog sei gegen die Deutschen im Felde und die Herzogin liege im Gefängnis, welches harte Schicksal aber männiglich betrübe, weil sie im ganzen Lande unglaublich beliebt sei. Er hörte ferner, in der Stadt sei ein ehrwürdiger spanischer Geistlicher, der bei dem herzoglichen Rate und dem ganzen Volke im größten Ansehen stehe, und ließ sich von ihm die Kirche nennen, wo er sich aufhielt. Am andern Morgen verließ Don Giovanni früh seine Herberge und ließ sich nach der Kirche des spanischen Geistlichen führen. Er klopfte an die Pforte seiner Wohnung an; der gute Bruder öffnete ihm, und Don Giovanni begrüßte ihn auf spanisch mit den Worten: »Mein Vater, Gott grüße Euch! Ich bin ein Spanier, der in Geschäften fremd nach diesem Lande kommt; da ich nun hörte, daß Ihr ein Spanier seid, wollte ich bei Euch einkehren und verlange von Euch nichts weiter als ein Obdach für mich und meine Pferde, insofern dieser mein Diener für alle unsere Bedürfnisse im übrigen selbst sorgen würde.«
Der gute Geistliche nahm ihn willig bei sich auf und führte ihn in das Haus ein; und derweil der Diener in der Stadt umherging, Lebensmittel einzukaufen, fragte Don Giovanni den Bruder, aus welcher Gegend von Spanien er sei. Er sagte es ihm offen, und Don Giovanni erkannte hieraus in ihm einen seiner Untertanen, der dazu aus eben der Stadt gebürtig war, die jetzt belagert wurde; er fragte ihn sodann über vielerlei aus, bis er sich vollständig vergewissert hatte, daß dies einer seiner Leute sei. Er entdeckte sich ihm darum und sagte ihm, wer er war. Als der Bruder dies hörte und ihn genauer angeblickt, erkannte er ihn gleich, da er noch kürzlich in seinem Vaterlande gewesen war; er wollte sich ihm nach spanischer Sitte zu Füßen werfen, was aber Don Giovanni nicht duldete. Dieser erzählte ihm nunmehr, warum er so unbekannt nach Turin gekommen sei, und sagte: »Ihr wißt, Vater, daß ich ein Ritter und als solcher gehalten bin, die Frauen gegen Ungebühr zu verteidigen. Es ist mir aus guter Quelle bekannt, wie diese Herzogin mit großem Unrecht und fälschlicherweise angeklagt wurde; aber um mich dessen zu vergewissern, wünschte ich sie doch selbst zu sprechen und unter dem Anscheine der Beichte die lautere Wahrheit aus ihrem Munde zu vernehmen. Kleidet Ihr mich als Mönch ein und verschafft Euch von ihren Wächtern die Erlaubnis, sie zu besuchen, zu trösten und zu ermahnen, geduldig zu Abbüßung ihrer Sünden den Tod zu leiden, wo dann Ihr, wenn wir nur erst drinnen sind, das Weitere mir zu besorgen überlassen mögt!«
Der Ritter wußte noch so viele andere Dinge dem einfältigen Bruder zu sagen, der eben keiner der scharfsinnigsten und gelehrtesten Männer des Landes war, daß dieser sich übertäuben ließ und, nachdem er dem Ritter vorher eine Kutte angezogen und die Platte geschoren, zu dem Statthalter ging und sagte: »Gnädiger Herr, da ich die Zeit nahen sehe, wo die unglückliche Herzogin sterben soll, ist mein Herz mehr und mehr von Bekümmernis um ihr Seelenheil ergriffen; wenn sie um ihrer Sünden willen ihres Leibes Leben verliert, soll ihre Seele nicht auch noch das ewige Leben einbüßen. Ich will ihr einen geistlichen Zuspruch tun, je nach dem, was mir unser Herrgott dazu eingibt, und hoffe auf ihn, daß er mein Bemühen, sie auf einen geduldigen Tod vorzubereiten, segnen wird.«
Wie schlecht und böse nun auch der Graf war, so wollte er doch gegen das Volk gern den Anschein gewinnen, als tue der Tod der Herzogin ihm leid. Er entgegnete also, er willige in dieses Verlangen ein, und befahl dem Schloßhauptmann, dem Mönche nebst seinem Begleiter Einlaß in den Kerker zu verstatten, um mit der Frau Herzogin zu reden. Sie erschienen beide vor der Herzogin, und da der Zeitpunkt ihres Todes nahe war, glaubte jedermann, der Statthalter habe die beiden Mönche zu ihr gesandt, um die letzte Beichte der
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