Italienische Novellen, Band 2
gekommenen Beschluß hörte, ist nicht zu sagen. Sie war um so mehr verletzt, je mehr sie sich von der ihr schuldgegebenen Sünde rein wußte. Sie brachte daher ihre Angelegenheiten in Ordnung, legte Trauerkleider an und führte ein elendes Leben. Das Beste, was sie besaß, hatte sie, wie schon gesagt, zu ihrem Arzte Appiano fortgeschafft; bei sich behalten hatte sie nur – ich weiß nicht, aus welchem Grunde – den kostbaren Diamant, den der König, ihr Bruder, ihr in England geschenkt hatte. Der böse Statthalter entfernte von ihr auch alle ihre bisherigen Dienerinnen. Indessen wußte sich doch Giulia so gut zu betragen, daß er sie allein ermächtigte, ihrer Gebieterin den Tag über Gesellschaft zu leisten.
In dieser Zeit war auch Don Giovanni Mendozza, der in der Meinung, von der Herzogin hintergangen worden zu sein, sich sehr beleidigt fühlte, noch von einem andern schlimmen Schicksal betroffen worden und war nahe daran, Land und Leben zu verlieren. Das schon erwähnte edle Geschlecht von Toledo, dem er, wie ich erzählt habe, eine große Niederlage beigebracht hatte, sann nämlich nur darauf, an Mendozza reichliche Vergeltung zu üben und Don Giovanni womöglich zu töten. Der König von Spanien sah zwar wohl das schwere Unheil ein, das diese zwei mächtigen Parteien in seinem Reiche verursachten; dennoch aber ließ er sich wenig angelegen sein, Frieden zwischen ihnen zu stiften; er schien vielmehr ein gewisses Vergnügen daran zu finden, daß sie sich untereinander zugrunde richteten, um sie alsdann geschwächt desto besser im Gehorsam zu erhalten. Es kam denn also so weit, daß beide Parteien bewaffnet im offenen Felde mit zahlreichen und mächtigen Scharen zusammentrafen und sich eine förmliche Schlacht lieferten, in der Don Giovanni sich zwar durch persönliche Tapferkeit und Mut als Krieger und durch Umsicht und Weisheit als Heerführer auszeichnete, aber dennoch unterlag und sich nur mit genauer Not in eine Stadt retten konnte. Die Stadt war sehr fest und mit Lebensmitteln und Kriegern für ein Jahr wohl versehen. Dort ward Don Giovanni von seinen Feinden belagert mit geringer Aussicht, Hilfstruppen zu bekommen.
So waren also die beiden Liebenden in die schlimmste Lage versetzt. Aber wer vermöchte die Tränen zu schildern, welche Giulia fast täglich vergoß, wenn sie die Frau Herzogin besuchte? Die Herzogin ertrug dieses ihr Mißgeschick mit kräftigem Mute und sprach sogar, sobald sie dessen bedurfte, Giulia Trost zu und ermunterte sie, alles gelassen zu ertragen und sich nicht zu betrüben. Eines Tages kamen sodann beide miteinander darin überein, daß es das beste sein dürfte, wenn Appiano in angestrengten Tagreisen nach Spanien ginge, um bei Don Giovanni Hilfe zu suchen, die er auf die bestmögliche Weise anwenden möge, und ihn zu versichern, daß die Herzogin fälschlich angeklagt sei. Die Herzogin verfaßte dazu ein eigenhändiges Beglaubigungsschreiben an Don Giovanni. Appiano nahm Postpferde, beschleunigte seinen Weg aufs äußerste und kam nahe an die belagerte Stadt. Als er aber hörte, wie die Sache stand, war er sehr mißvergnügt: denn er dachte, es sei nun Don Giovanni unmöglich, der Herzogin zu Hilfe zu kommen. Doch entschloß er sich als ein pflichtgetreuer und gewissenhafter Diener der Herzogin, der er über alles helfen zu können wünschte, nicht zu weichen, ehe er Don Giovanni gesprochen habe. Da trug es sich zu, daß eben zwischen Belagerern und Belagerten ein heftiges Scharmützel entstand. Der brave Arzt fand Gelegenheit, sich – ich weiß nicht wie – einen Schild zu verschaffen, mischte sich, den bloßen Degen in der Hand, damit mutig ins Gefecht und drang im Kampfe so weit vor, daß er von den Belagerten gefangengenommen wurde. Zu diesen sagte er: »Führt mich sogleich zu Herrn Don Giovanni, denn ich habe ihm Dinge von der größten Wichtigkeit zu eröffnen.«
Er wurde sogleich vor Don Giovanni geführt, der ihn gleich als einen von denen wiedererkannte, die er bei der Herzogin gesehen hatte, und ihn gnädig aufnahm. Er zog ihn beiseite und fragte ihn, ob er gute Nachrichten von seiner Gebieterin bringe.
»Im Gegenteil sehr schlechte«, sagte Appiano, »denn sie schwebt in größter Gefahr, schmachvoll verbrannt zu werden, wofern ihr niemand Hilfe bringt.«
Er erzählte ihm hierauf von Anfang an, wie leid es der Herzogin gewesen sei, von ihrem Gemahl in Galizien zu Schiffe abgeholt worden zu sein, da sie eingesehen, daß es unmöglich sei, ihm ihr Versprechen zu
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