Italienische Novellen, Band 2
erkannte, den sie in ihrem Gefängnisse dem Klosterbruder gegeben hatte. Begierig zu erfahren, wie er in den Besitz des Ritters gekommen sei, sprach sie deshalb mit Appiano, den sie nebst Giulia mit nach England genommen hatte. Appiano knüpfte darauf mit dem Ritter ein Gespräch an und fragte ihn, wie er den kostbaren Ring erworben habe. Er erwiderte ihm lächelnd, er wolle es sehr gerne der Frau Herzogin vertrauen und ihr Dinge sagen, die ihr angenehm zu hören sein werden. Als die Herzogin diese Antwort des Ritters vernahm, zeigte sie sich höchst abgeneigt, mit ihm zu sprechen. Aber ihr Verlangen, zu erfahren, wie es mit dem Ringe ergangen sei, zwang sie dennoch, sich dazu zu verstehen. Der Ritter erzählte ihr darauf mit kurzen Worten, in welchem Irrtum er befangen gewesen, als er sie von Sankt Jakob nicht habe wiederkehren sehen, wie er darauf von seinen Feinden bedrängt worden sei, als Appiano ihn ihretwegen aufgesucht habe, und wie schwer er es bereut habe, nicht auf der Stelle zu ihrer Befreiung fortgeeilt zu sein, nachdem er sich doch habe selbst sagen müssen, daß er ihr die Erfüllung dieser Pflicht schuldig geworden sei. Er fuhr ferner fort, ihr zu sagen, wie er sodann nach Turin abgereist sei und sich mit dem spanischen Geistlichen bekannt gemacht habe, und wie er es endlich selbst gewesen sei, der ihr im Kerker das und das gesagt und von ihr den kostbaren Ring erhalten habe. Zur Urkund gab er ihr so viele Zeichen, daß sie nicht umhin konnte, in Don Giovanni ihren Retter zu erkennen. Sie legte daher allen Unwillen ab und ließ die alte Liebesflamme zu ihm in ihrer Brust wieder auflodern, so daß sie sich kaum enthielt, ihm die Arme um den Hals zu schlingen und ihn mit tausend Küssen zu bedecken. Sie sprach sodann mit dem Könige, dem sie Don Giovanni als ihren Befreier zu erkennen gab, und sagte zu ihm: »Mein Gebieter, Ihr habt mir versprochen, mich wieder zu verheiraten und meinen Retter zu belohnen. Welchen Gemahl könntet Ihr mir aber wohl geben, der mich mehr verdiente, als dieser mein getreuer mannhafter Ritter?«
Der König gab gern seine Zustimmung und lobte die Wünsche seiner Schwester über die Maßen und vermählte also die Liebenden zu ihrem beiderseitigen großen Vergnügen miteinander. Die Neuvermählte wollte, daß zugleich ihre treue Giulia mit Appiano Hochzeit mache, wodurch sich die Festlichkeit noch erhöhte. Wenige Tage darauf schifften sie, gut geleitet von englischen Herren, alle miteinander froh nach Spanien über, wo die Hochzeit des Prinzen und der Prinzessin in Pracht und Herrlichkeit gefeiert wurde. Don Giovanni selbst begab sich hernach mit seiner Gemahlin nach seinen Gütern, wo er viele Tage lang offene Tafel hielt. Er lebte lange mit ihr in der glücklichsten Ehe und hinterließ Kinder und Enkel.
Filiberto
In Moncalieri, einer Burg nicht weit von Turin, lebte eine Witwe, genannt Frau Zilia Duca, die erst kurz ihren Gatten verloren hatte. Sie war erst vierundzwanzig Jahre alt und noch gar schön, aber von rauhem Wesen, das mehr an das Bäurische streifte als feingesittet zu nennen war. Sie hatte sich auch vorgenommen, nicht mehr zu heiraten, und war darauf bedacht, einem Knaben, ihrem einzigen Kinde, das drei bis vier Jahre alt war, einiges Vermögen zu sammeln. Sie lebte in einem Hause, das nicht für eine Edelfrau ihresgleichen paßte, sondern eher für ein armes Weib; auch versah sie alle niedrigen Geschäfte im Hause, um an Dienerinnen zu sparen und so wenige als möglich halten zu müssen. Selten ließ sie sich sehen, und an Festtagen ging sie des Morgens in der Frühe zur ersten Messe in ein Kirchlein neben ihrem Hause und kehrte darauf schnell nach ihrer Wohnung zurück. Es ist eine allgemeine Sitte bei den Frauen des Landes, alle Fremden zu küssen, die in ihr Haus kommen oder von denen sie besucht werden, und sich vertraulich mit einem jeden zu unterhalten; sie aber wich allen diesen Gewohnheiten aus und lebte allein.
Es war nun einst ein Edelmann des Landes, Herr Filiberto, von Virle nach Moncalieri gekommen, ein sehr wackerer und durch persönliche Tapferkeit ausgezeichneter Soldat, und er war schon im Begriff, nach Virle zurückzukehren, ging aber noch zur Messe in die Kirche, wo Frau Zilia war, die ihm beim ersten Anblick schön und gar anmutig vorkam. Er fragte daher, wer sie sei, und fühlte sich schon in seinem Innern ganz glühen von Liebe. Er hörte von ihrer Art und Weise, konnte aber, obgleich sie ihm mißfiel, doch nicht umhin, sie zu lieben.
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