Italienische Novellen, Band 2
von der Zofe bequem bedient ward und die Frau selbst, sooft sie wollte, ihn ungestört besuchte. Dann schickte sie nach ihren Verwandten aus und traf Einleitung zur Befreiung ihres Gemahls, indem sie ihnen den ganzen Hergang der Sache erzählte. Die Geschichte zog sich aber mehr, als sie glaubten, in die Länge; denn man mußte einen Gerichtsnotar nach Novara schicken, um die Zeugnisse zu prüfen, und ebenso auf das Landgut, wo sie zu Nacht gegessen hatten, um das zu erweisen, was der Hausherr mit seinen Leuten aussagte. Darüber gingen sechs Tage hin, bis sie aus dem Gefängnis frei wurden. Unterdessen leistete Cornelio jede Nacht seiner Frau Gesellschaft, damit sie nicht allein schliefe und kein Gespenst ihr zur Last fiele.
Als sie nun erfuhr, daß ihr Mann heute nach Hause kommen werde, brachte sie am Morgen zuvor bei guter Stunde nach tausend Umarmungen ihren Liebhaber aus dem Hause, und er ging gerade nach seiner Herberge. Nach dem Morgenessen ging er maskiert zu Herrn Alexander Bentivoglio und seiner Frau Gemahlin, Frau Ippolita Sforza, um ihnen aufzuwarten. Solange er dort war und mit ihnen sprach, kamen ein paar Edelleute, unter welchen einer sagte, in dem Augenblicke sei Momboiero mit der Wache in Cornelios Hause, da man vernommen habe, daß er von Mantua sich entfernt und nach Mailand gekommen sei; Cornelios Mutter habe ihm das ganze Haus genau gezeigt. Als Cornelio dies hörte, verabschiedete er sich von Herrn Alexander und Frau Ippolita, kehrte in seine Herberge zurück und beschloß, sich nicht länger mehr diesen Gefahren auszusetzen. Er stieg also, da es Nacht wurde, zu Pferde und begab sich über Bergamo und Brescia nach Mantua, da er nicht mehr den Weg machen wollte, den er früher gemacht hatte, aus Furcht, es möchten ihm unterwegs böse Geister begegnen.
Romeo und Julia
(Shakespeare, Romeo und Julia)
Zu den Zeiten der Scaliger bestanden zu Verona die zwei an Adel und Reichtum über andere ragenden Familien der Montecchi und Capelletti, zwischen denen, gleichviel aus welchen Gründen, eine so grausame und blutige Feindschaft sich entsponnen hatte, daß in dem wiederholten Handgemenge, welches sie zu ihrem immer ärgeren Entflammen nach sich zog, nicht nur der eigenen Angehörigen, sondern auch der Anhänger beider Geschlechter die Menge getötet wurde. Als nun vorzeiten Bartolomeo Scala Herr von Verona war, bemühte sich derselbe zwar, sie miteinander auszusöhnen, kam aber nimmer damit zustande, weil ihr gegenseitiger Haß zu tief gewurzelt hatte. Nichtsdestoweniger bewirkte er so viel, daß er, wenn auch nicht den Frieden stiftete, so doch den immerwährenden tätlichen Ausbrüchen ihres Unfriedens steuerte, demzufolge schon allmählich wieder viele von den beiden feindlichen Parteien anfingen, miteinander zu reden.
Da geschah es, daß dereinst zur Karnevalszeit in dem Hause des gastfreien und lebensfrohen Antonio Capelletto, des Hauptes seiner Familie, ein glänzendes Fest gefeiert werden sollte, zu dem eine große Anzahl edler Männer und Frauen eingeladen war, und daß unter anderen Jünglingen auch Romeo Montecchio, etwa zwanzig bis einundzwanzig Jahre alt, und wohl der schönste und gesittetste von allen, hinging.
Romeo war damals in heftiger Liebe zu einem jungen Fräulein entbrannt, dem er schon seit zwei Jahren sein Herz ergeben hatte und tagaus, tagein allerwärts, in die Kirche oder wo sie sonst hinging, folgte, obgleich sie ihn noch keines einzigen Blickes gewürdigt hatte. Er hatte ihr viele Briefe geschrieben und Botschaften gesendet; aber ihre Härte und Strenge gegen ihn blieb sich immer gleich und bewog den leidenschaftlichen Jüngling am Ende, da sie ihm immer schwerer zu ertragen fielen, und nachdem er unendliche Klagen ausgestoßen hatte, zu dem Entschlüsse, Verona zu verlassen und ein oder zwei Jahre auf Reisen im übrigen Italien zuzubringen, um sich seines ungezügelten Verlangens also womöglich zu entledigen. Jedoch von seiner heißen Liebe zu ihr überwunden, machte er sich dagegen wieder selbst Vorwürfe, einen so törichten Gedanken gefaßt zu haben, und wußte auf keine Weise fortzukommen. Zuweilen sagte er zu sich: »Warum liebe ich sie nur, da ich doch aus tausend Anzeichen erkennen kann, daß meine Dienstbarkeit ihr nicht angenehm ist? Warum verfolge ich sie denn wie ihr Schatten überallhin, da ich weiß, daß es mich zu nichts führt? Vielleicht erlischt, sobald ich sie nicht mehr sehe, dieses Feuer meiner Leidenschaft allmählich, wenn es aus ihren schönen
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